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Bei der demokratischen Präsidentschaftswahl in Ruanda ist Amtsinhaber Paul Kagame mit klarer Mehrheit wiedergewählt worden. Der Politiker der Tutsi-Minderheit erhielt 95,05 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission in Kigali mitteilte.
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Präsident Kagame hat sich erwartungsgemäß zum Wahlsieger erklärt. Schon nach Auszählung der Stimmen in 51 von 106 Wahlbezirken sei Kagame, der der Tutsi-Minorität angehört, auf 94,3 Prozent der Stimmen gekommen, teilte die Wahlkommission am Dienstag in der Hauptstadt Kigali mit. Der aussichtsreichste Oppositionskandidat, der gemäßigte Hutu Faustin Twagiramungu, landete demnach abgeschlagen bei 3,5 Prozent. Trotz widersprüchlicher Eindrücke vom Wahlverlauf äußersten sich internationale Wahlbeobachter vorsichtig optimistisch.
Kagame ließ sich im größten Fußballstadion in Kigali von rund 15.000 Anhängern feiern. Sein Wahlsieg werde allen Ruandesen zugute kommen, versprach der 46-Jährige. Es sei ein "wahrer unabänderlicher Sieg, der nicht überraschend kommt und Hoffnung macht". Rund 80 Prozent der vier Millionen wahlberechtigten Ruandesen hatten am Montag zur ersten Präsidentenwahl seit dem Völkermord 1994 ihre Stimme abgegeben.
Twagiramungu lehnte die Zwischenergebnisse der Wahlkommission "kategorisch" ab, warf Kagame Betrug und Einschüchterung vor und forderte Neuwahlen. Die Wahlprozedur sei nicht transparent gewesen. Zudem seien ausschließlich Mitglieder von Kagames Partei "Patriotische Front Ruandas" (FPR) als Beobachter der Stimmenauszählungen zugelassen worden, klagte Twagiramungu, dessen eigene Partei MDR jüngst verboten wurde, obwohl sie zuvor langjähriger Koalitionspartner der FPR gewesen war. Dadurch fehlte Twagiramungu auch die politische Basis im Wahlkampf.
EU-Beobachter melden widersprüchliche Eindrücke
Das 70-köpfige EU-Beobachterteam habe "widersprüchliche Eindrücke" von der Wahl gewonnen, sagte die Delegationsleiterin, die ehemalige luxemburgische Außenministerin Colette Flesch. Einige Gruppen hätten einen geregelten Verlauf gemeldet, andere von "Schwierigkeiten" berichtet. Die EU will ihren Bericht heute, Mittwoch, veröffentlichen.
Die USA begrüßten den friedlichen Verlauf der Abstimmung, zeigten sich jedoch zugleich "beunruhigt" über Berichte von "Einschüchterungen" gegen Oppositionskandidaten und deren Anhänger, erklärte Außenamtssprecher Philip Reeker in Washington. Ähnlich reagierte auch die ehemalige Kolonialmacht Belgien. Brüssel gratulierte Kagame zum Wahlsieg, stellte dabei jedoch klar, dass "optimale Voraussetzungen für freie und faire Wahlen nicht voll erfüllt" gewesen seien. Außenminister Louis Michel sei dennoch zuversichtlich, dass der Urnengang "Voraussetzung für eine neue demokratische Ära in der Geschichte des Landes" sein werde.
Erste Mehrparteienwahlen seit der Unabhängigkeit 1962
Lange genug hatte Kagame gezögert, sein Volk abstimmen zu lassen, um seine Herrschaft demokratisch zu legitimieren. Das Prinzip demokratischer Mehrheitsherrschaft schien dem taktisch versierten Ex-Guerilla-Führer gefährlich, gehört er doch zur kleinen Minderheit der Tutsi. Nach neun Jahren Regentschaft mit harter Hand fühlte sich Kagame dem Experiment Demokratie gewachsen. Keiner seiner Amtsvorgänger war dieses Wagnis seit der Unabhängigkeit von Belgien 1962 eingegangen. Die Wiederwahl Kagames galt als sicher, schon allein weil eine neuerliche Machtkonzentration in den Händen der Hutu für die meisten Ruandesen ist.
Zu wach ist noch die Erinnerung an den Völkermord mit dem die Hutu sich der verhassten Tutsi entledigen wollten. Gut 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu wurden nach UNO-Schätzungen innerhalb von nur drei Monaten grausam ermordet. Der Völkermord kam erst zu einem Ende, als Kagame mit einer Invasionsarmee von Exil-Tutsi aus Uganda die Macht in der ruandesischen Hauptstadt Kigali an sich riss.
Vor dem Krieg zählten 85 Prozent der Ruandesen zur Hutu-Gruppe, 15 Prozent zählten zur traditionellen Herrschaftselite der Tutsi. Nach dem Krieg wurde keine neue Statistik aufgestellt. Um die Gräben nicht weiter zu vertiefen, ließ Kagame jede Registrierung der Volksgruppenzugehörigkeit seiner gut neun Millionen Landsleute verbieten.
Ein über alle Zweifel erhabener Demokrat ist aus Rebellenführer Kagame aber noch nicht geworden: Menschenrechtsorganisationen werfen die massive Einschüchterung der Opposition im Wahlkampf vor und in den Gefängnissen Ruandas warten weiter Tausende Völkermord-Verdächtige auf ein Verfahren.
Als Erfolg kann sich Kagame anrechnen, dass Ruanda seit 1994 ruhig geblieben ist. Mit Programmen gegen Aids, das Analphabetentum und die Armut ging er die immensen Probleme des Landes an. In den vergangenen Jahren konnte die ruandische Wirtschaft eine erstaunliche Wachstumsquote von jährlich um die sechs Prozent verzeichnen. Kritiker verweisen freilich darauf, dass diese Zuwachsraten auf die Ausbeutung des zum Teil von Ruanda besetzten Nachbarlands Kongo zurückgehen.