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Die Chancen stehen gut für einen unauffälligen Nationalfeiertag bei prächtigem Herbstwetter, der das Ende eines innenpolitisch bisher höchst ereignisreichen Jahres einläutet. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht eigentlich fast alles beim Alten geblieben ist. Und falls ja, ob das wirklich eine so schlechte Nachricht wäre.
Die Frage nach der Substanz des Neuen führt natürlich zum Ibiza-Video der ehemaligen FPÖ-Führung und zur dadurch ausgelösten Kettenreaktion an verfassungsrechtlichen Premieren: Entlassung eines Ministers, die Abwahl der Regierung, die Angelobung eines Beamtenkabinetts samt erster Frau als Regierungschefin und einiges mehr.
Doch was die "Classe Politique", zu der auch die Medien, Aktivisten und Engagierten aller Lager zählen, in Bann hielt, nahm die große Mehrheit der Bürger recht schnell recht gleichgültig zur Kenntnis. Die unbestrittene Schönheit und Eleganz der österreichischen Verfassung raubt nicht jedem den Schlaf. Muss sie auch nicht. Zweck einer Verfassung ist ein Fahrplan für Krisen. Immerhin wissen wir jetzt, dass wir einen haben.
Die alltagsrelevanten Folgen dieses doch historischen Jahres müssen dagegen mit der Lupe gesucht werden. Für Normalbürger hat sich "Geschichte" noch selten entspannter zugetragen.
Zu dieser Grundentspanntheit passt das Ergebnis der Nationalratswahlen. Dass mehr als 80 Prozent der Stimmen auf Parteien der erweiterten politischen Mitte entfielen, kontrastiert höchstens zur aufgeregten medialen Berichterstattung der vergangenen Monate. Zeitweise hätten unbedarfte Medienkonsumenten durchaus den Eindruck gewinnen können, Österreich verabschiede sich demnächst von Demokratie und Rechtsstaat. Aber irgendwie zählt auch diese Form von Überzeichnung zur nationalen Normalität.
Die ihrer Natur nach verwandte mediale Überspanntheit zeigt sich auch jetzt mit einer türkis-grünen Koalition als arithmetische Option. Seitdem hält die Aussicht auf ein politisches Bündnis der beiden Parteien die politisch interessierte Öffentlichkeit in Schnappatmung, die Anhänger sogar in Euphorie.
Türkis-Grün wäre natürlich ein Bruch mit dem Bestehenden und würde allein schon deshalb wunderbar in die Erzählung von diesem so besonderen Jahr passen. Einmal im Amt würde aber auch diese Regierung, sieht man vom inszenierten Beiwerk ab, schnell in der Routine des politischen Alltags ankommen. Es ist harte Arbeit, den ständigen Wandel so zu gestalten, dass die Maßgaben für Wohlstand, Lebensqualität, Geborgenheit und Sicherheit des Landes bleiben, wo sie heute schon sind: bei den besten der Welt.