Kristofias und Talat ringen um Wiedervereinigung. | Turbulenzen in der Türkei überschatten Gespräche. | Nikosia. Über der Stadt liegt brütende Hitze, auch um halb neun Uhr abends zeigt das Thermometer noch 36 Grad Celsius. Seit vier Jahren hat es kaum mehr geregnet. Das Wasser ist für die einheimische Bevölkerung rationiert, nur für die Touristen fließt es durchgehend aus der Leitung. 15 bis 16 Millionen Kubikmeter fehlen den Zyprioten dieses Jahr. Rund die Hälfte wird mit Tankschiffen um gute 40 Millionen Euro vom Verbündeten Griechenland geliefert. Das ist eines der zwei Themen, die die Schlagzeilen der zypriotischen Zeitungen dominieren.
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Das andere illustriert das Niemandsland zwischen dem griechisch geprägten Süden und dem von der Türkei besetzten Norden der Insel: Mitten in der geschäftigen Hauptstadt enden Straßen plötzlich in mit Stacheldrahtverhauen bestückten Betonsperren mit Wachtürmen. Dahinter verfallen seit 34 Jahren unbewohnte Häuser. Seit der türkischen Invasion 1974 sind alle Anläufe zur Beilegung des Konflikts gescheitert - am spektakulärsten 2004, als die griechischen Zyprioten den Wiedervereinigungsplan des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan per Referendum ablehnten.
Schwung ist verflogen
Seit der Kommunist Dimitris Kristofias die Wahlen in Zypern gewonnen und die Staatsspitze übernommen hat, schien neuer Schwung in die Verhandlungen um die Wiedervereinigung der Insel zu kommen. Doch gute vier Monate nach dem Start der Gespräche macht sich Ernüchterung breit: die Arbeitsgruppen der beiden Gemeinschaften haben nach rund 180 Sitzungen kaum Ergebnisse vorzuweisen.
Morgen, Dienstag, treffen einander Präsident Kristofias und der Führer der von keinem Land außer der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, Mehmet Ali Talat. "Das wichtigste ist, dass die Gespräche weitergehen", umreißt Außenminister Markos Kyprianou die Zielsetzung der hochrangigen Treffen - wohl unter dem Eindruck, dass der Prozess auf wackligen Beinen steht. Denn offenbar gibt es grundsätzlich unterschiedliche Meinungen über den Gegenstand der Verhandlungen. Während die Regierung des EU-Landes Zypern eine "bizonale und bikommunale Föderation", einen Staat und eine einzige zypriotische Staatsbürgerschaft für die Bewohner der Insel anstrebt, wünscht sich der Norden eine Konföderation aus zwei Staaten. Bei den Treffen der Spitzenpolitiker gelte es nun vorerst, eine gemeinsame Basis zu finden, erläutert Präsidentenberater George Iacovou.
Erst dann könnten die formellen Verhandlungen auf politischer Ebene beginnen. Gerechnet werde mit Anfang September. Hintergrund dieser Zielzeit sind die Turbulenzen in der Türkei, ohne deren Freigabe Talat nicht wirklich Spielraum hat. Denn mit den rund 43.000 türkischen Soldaten, die im Norden Zyperns stationiert sind, ist auch weit reichender Einfluss auf die Geschicke der nordzypriotischen Führung verbunden. Wohin es mit der Regierung von Premier Recep Tayyip Erdogan in Ankara geht, ist zur Zeit offen. Ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof könnte die Regierungspartei AKP demnächst verbieten, weil ihre islamisch orientierten Spitzen wie der Premier nach dem Geschmack des Generalstaatsanwalts gegen die strikt säkulare Verfassung verstoßen, ein Urteil wird für Ende August erwartet. Hintergrund ist ein gefährlicher Machtkampf zwischen der AKP und dem eingesessenen Polit- und Wirtschaftsestablishment, das sich auf die Ideologie von Staatsgründer Kemal Atatürk beruft. Ohne einer Stabilisierung der Lage in der Türkei seien auch essentielle Fortschritte in den Verhandlungen auf Zypern nicht wirklich zu erwarten, so der Tenor in Nikosia.
Dabei hatte es bei Kristofias' Amtsübernahme gut ausgesehen. Er und Talat sind alte Genossen derselben politischen Bewegung und verstehen sich persönlich ziemlich gut. Nach Jahrzehnten wurde die Grenze zwischen dem Süden und dem Norden in der zentralen Einkaufsstraße der Hauptstadt, der Ledra-Straße, wieder geöffnet - ein symbolisch wichtiger Schritt. Die griechischen und die türkischen Zyprioten können seither unkompliziert von einem Teil der Insel in den anderen spazieren. Nur die bis zu 200.000 vom Festland zugereisten Türken müssen im Norden bleiben. Sie stellen längst die Mehrheit der Bevölkerung in dem "nicht von der Regierung kontrollierten Gebiet", wie hohe zypriotische Beamte es ausdrücken. Und sie sind eines der großen Probleme bei der Klärung der Zukunft des Landes.
Zwar gebe es im Falle einer Lösung großen Bedarf an Arbeitsplätzen beim Wiederaufbau des wirtschaftlich danieder liegend Nordens, sagte der Chef der Handels- und Industriekammer Zyperns, Manthos Mavrommatis. Doch maximal 50.000 der ungeliebten Türken dürften im Land bleiben, so die Faustregel laut Kyprianou. Ein weiteres Herzensanliegen der Zyprioten ist die Regelung der Besitzfrage: Fast 200.000 Griechen mussten nach der türkischen Invasion in den Süden flüchten und verloren ihr Land und ihre Häuser, die sie unter allen Umständen zurück haben wollen.