Vom staatlichen Aufnahmestopp besonders betroffen, im privaten Sektor von den Wirtschaftswissenschaftlern verdrängt, sind Juristen öfter arbeitslos als andere Akademiker. Laut OGM-Studie trauen Personalchefs Jus-Absolventen weniger Computer- und Fremdsprachenkenntnisse, weniger Praxiserfahrung und weniger Führungsqualitäten zu als Wirtschaftsabsolventen.
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Während die Arbeitslosigkeit von Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern von 2002 auf 2003 um 6,1 Prozent gesunken ist, hat sie bei den Juristen im selben Zeitraum um 6,1 Prozent zugenommen. Die Arbeitslosenquote unter Juristen liegt bei 8,9 Prozent. Eine OGM-Umfrage unter 151 Personalchefs hat versucht, den Ursachen hierfür auf den Grund zu gehen. Ergebnis: Nach Meinung der Personaler haben Juristen massive Ausbildungsdefizite.
Schuld daran ist - nach Ansicht des Vereins Zepra ("Zentrum für Praxisinformation"), der die Studie in Auftrag gegeben hat - nicht zuletzt das Ausbildungssystem der juridischen Fakultäten. "Zu wenig Leistungsprinzip", ortet Zepra-Vorstandsvorsitzender Gerhard Kantusch, sonst als Personalchef bei RHI tätig, und deutet an, dies könnte damit zusammenhängen, dass jahrzehntelang nur für den öffentlichen Dienst ausgebildet wurde. Die Universitäten hätten sich aber den geänderten Realitäten in der Arbeitswelt anzupassen:
"Wenn sich neue Rechtsgebiete auftun, muss die Uni rascher reagieren", fordert Zepra-Vorstand Thomas Angermair, Rechtsanwalt bei Dorda Brugger Jordis. Das Image der Unis sei zu verbessern, verpflichtende Praktika sollten ins Studium eingegliedert werden. Gewünscht wird auch, die fünf heimischen Rechts-Fakultäten stärker mit ausländischen Universitäten zu vernetzen. Römisches Recht und Rechtsgeschichte sollten als Pflichtfächer, Latein als Studiumsvoraussetzung eliminiert werden. Für Peter Paul Hajek von der OGM hat die Unlust am juristisch gebildeten Mitarbeiter vor allem eine Ursache: "Die Juristen haben das Image, zu sehr auf ihren Feldern picken zu bleiben, ihnen fehlt der offene Blick". Der Fokus müsse breiter werden, hin zu mehr Teamarbeit. Jus entwickle sich zunehmend zur Nebenqualifikation, ähnlich einer Fremdsprache.
Angermair hingegen wünscht sich mehr praxisrelevantes Spezialwissen. Gute Noten seien ein Muss, eine minimale Studiendauer auch. Ohne Auslandsaufenthalt und Fremdsprachen gehe gar nichts. Und wer nicht neben dem Studium gearbeitet hat, "den können wir nicht brauchen, der hat vom Leben nämlich keine Ahnung", so Kantusch. Das wichtigste - führt Rechtsanwalt Peter Kunz, ebenfalls Vorstandsmitglied bei Zepra, aus - seien Softskills: "Wer nur strebert, kriecht und buckelt, aber keinen Charakter hat, fliegt raus."
Univ.-Prof. Andreas Kletecka, der in Wien das Angstfach Zivilrecht unterrichtet, will helfen, künftig verstärkt "High-End"-Absolventen auf den Markt zu bringen. Als Prüfer sieht er sich selbst als Filter, um "Juristen nicht auf Halde" zu produzieren. Trotz 50 Prozent Drop-Out-Quote votiert er für eine strenge Eingangsprüfung.
Ob die Zepra-Vorstände die strengen Zugangsvoraussetzungen zu Studium und Arbeitsmarkt geschafft hätten?
"Nein," bekennt Kunz ehrlich, "ich hätte mich nicht genommen." Damals sei es leicht gewesen, einen Job zu finden, wenn man bereit war wenig zu verdienen und viel zu arbeiten. Auch Kantusch gäbe sich heute schlechte Chancen, "als ich mich bewarb, hatte ich keine Ahnung, was ein Personalassistenz zu tun hat".
Zepra veranstaltet morgen eine Podiumsdiskussion zum Thema marktgerechte Juristenausbildung. Dachgeschoss Wr. Juridicum, 18 Uhr