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Trucks und rollende Smartphones

Von Helmut Dité

Wirtschaft

2014 sollte der US-Automarkt auf | 16,5 Millionen Stück weiter wachsen.


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Detroit. Die Stadt ist bankrott; der stärkste Eissturm seit Jahrzehnten lockert im Gebiet der Großen Seen nur langsam seinen eisigen Griff; der neue Megatrend "Vernetztes Auto" hat dazu geführt, dass die meisten Neuheiten schon diese Woche bei der Consumer Electronics Show CES in Las Vegas enthüllt wurden. Und dennoch spielt Detroit ab kommendem Montag mit der klassischen North American International Auto Show zwei Wochen lang wieder die längst verlorene Rolle als Nabel der Autowelt, 5000 Journalisten und 800.000 Besucher werden im Cobo-Center am Detroit River erwartet.

Eine "weitgehend zuversichtliche und optimistische Stimmung" konstatieren die Marktforscher. Wenig verwunderlich: Die Autoverkäufe auf dem nordamerikanischen Markt steigen seit Jahren kontinuierlich und haben zuletzt schon fast wieder das Niveau vor der verheerenden Wirtschaftskrise 2009/2010 erreicht.

Die drei großen heimischen Hersteller General Motors, Ford und Chrysler - sie haben alle ihre Hauptquartiere in oder nahe bei Detroit - kommen mit besonders breiter Brust. Sie haben 2013 ihre Verkäufe wieder um acht bis zehn Prozent steigern können. Und sie stellen im Krisengebiet rund um Detroit wieder tausende Automobilarbeiter ein.

Ford - das sich als einziger der US-Hersteller ohne Staatshilfe aus der Krise gearbeitet hat - kündigt 5000 neue Jobs in Michigan an. 2014 bringt Ford insgesamt 23 neue Autos und Kleinlastwagen auf den Markt - so viele wie noch nie in der 110-jährigen Geschichte. Darunter ein neues Modell des legendären Sportwagens Mustang sowie eine von Grund auf überarbeitete Version des auch 2013 in den USA wieder meistverkauften Fahrzeugs - des Pickup-Trucks F-150. Ford sieht sich auf gutem Weg, weltweit sechs Millionen Fahrzeuge herzustellen.

General Motors ist seit kurzem nicht mehr "Gouvernment Motors" und investiert ebenfalls wieder kräftig in der Heimat: 1,2 Milliarden Dollar fließen in das Werk in Flint, Michigan, wie GM-Nordamerika-Präsident Mark Reuss Mitte Dezember unter dem Beifall von Gouverneur Rick Snyders und hunderten gewerkschaftlich organisierten Werksangehörigen bekannt gab.

Auch Chrysler, das jüngst vom in der Insolvenz 2009 eingestiegenen Partner Fiat vollständig übernommen wurde, investiert wieder im Heimatland - sind die Verkäufe doch seit der Krise wieder um gut 50 Prozent gestiegen. Ebenso wie bei Ford und General Motors waren bei Chrysler die Pick-up-Trucks und SUVs der Konzernmarken Dodge RAM und Jeep die großen Renner und Gewinnbringer.

Trotz etwas schwächer als erwartet ausgefallener Verkäufe im Dezember standen kurz vor Beginn der bedeutendsten Automesse Nordamerikas die Zeichen auf weitere Zuwächse: Angesichts einer gesunkenen Arbeitslosigkeit und verbesserter wirtschaftlicher Aussichten sitzt das Geld bei vielen US-Amerikanern wieder lockerer. 2013 legten die Autoverkäufe in den USA um 8 Prozent auf 15,6 Millionen Stück zu - ein Sechs-Jahres-Hoch. Für heuer prognostizieren Experten ein Wachstum um rund fünf Prozent auf dann 16,5 Millionen Wagen.

Auch Deutsche kommen mit "großer Zuversicht"

Amerika dürfte auch für die deutschen Autokonzerne 2014 ein Land der guten Nachrichten bleiben. Während in Europa die Erholung noch ein zartes Pflänzchen ist, sollten erneute Zuwächse in den USA - sowie im noch größeren Pkw-Markt China - bei vielen Herstellern weiter die Dellen auf dem Heimatkontinent ausbügeln. "Wir gehen mit großer Zuversicht nach Detroit", sagte Matthias Wissmann, Präsident des deutschen Branchenverbands VDA, jüngst der "Börsen-Zeitung". Der Verbandschef verweist darauf, dass gerade die deutschen Hersteller in den USA über viele Jahre hinweg schneller gewachsen seien als der Markt. "Im Pkw-Sektor kommt heute jeder achte Neuwagen, der in den USA verkauft wird, von deutschen Marken." Potenzial gebe es dort vor allem noch im Oberklasse-Segment - dort bringen BMW, Audi und Mercedes mehrere PS-starke Neuheiten nach Detroit.

Zukunftsmusik spielte eher schon bei CES in Las Vegas

Die Zukunftsmusik der Autobranche spielte allerdings schon vor der NAIAS: So viel Auto wie heuer war bei der CES in Las Vegas noch nie. Prototypen selbstfahrender Fahrzeuge - unter anderem von Mercedes - und vernetzter Autos - darunter ein Audi mit einem "Smart Display-Monitor" statt der herkömmlichen Cockpit-Instrumente hinter dem Lenkrad.

Und: Google - übrigens Pionier bei selbstfahrenden Autos - will nach der Kontrolle der Smartphones und des Internets auch das Auto erobern. Android soll im Auto genauso mächtig werden, wie beim Smartphone - dort hat das Betriebssystem seit 2007 gut 80 Prozent Marktanteil erobert.

In LasVegas gab Google die Gründung einer Open Automotiv Alliance bekannt, mit mehreren Chipherstellern und Audi, General Motors, Honda und Hyundai als ersten Partnern. Eine Marktstudie untermauerte jüngst das Potenzial der "rollenden Smartphones": Vielen potenziellen Autokäufern ist ein Smartphone-Anschluss heute bereits wichtiger als die PS-Leistung des Fahrzeugs (49 gegenüber 47 Prozent). "Vor allem die jüngere Generation möchte auf die vielen Möglichkeiten, die das Smartphone bietet, auch im Auto nicht mehr verzichten". Und: Schon jeder Dritte kann sich gut vorstellen, sich einem selbstfahrenden Auto anzuvertrauen - zumindest im Stau oder auf der Autobahn.