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Trudeaus Spagat

Von WZ-Korrespondent Jörg Michel

Politik

Kanada übernimmt heuer die Präsidentschaft der G7-Staaten. Premier Justin Trudeau auch die USA einbinden.


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Ottawa. Die beiden Männer könnten unterschiedlicher kaum sein. Da ist Justin Trudeau, der poppig-populäre Premierminister aus Kanada. Der selbst ernannte Feminist hat seine Regierung zur Hälfte mit Frauen besetzt, er steht für eine liberale Zuwanderungspolitik und für den Klimaschutz. Und da ist Donald Trump, der krawallige Präsident der Vereinigten Staaten. Der hat in seinem Kabinett fast nur weiße Männer um sich geschart, will eine Mauer zu Mexiko bauen und hält den KIimapakt von Paris für Teufelszeug.

Vom 8. bis 9. Juni treffen die ungleichen Männer zusammen, in einem Luxushotel in Charlevoix in Kanada zum nächsten Gipfel der sieben wichtigsten Industrienationen (G7). Mit dabei sind auch die Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Japan sowie die Europäische Union und die ganze Welt fragt sich: Wie nur soll da zusammenkommen, was nicht zusammenpasst?

Dissens bei Gleichstellungund Abtreibung zu erwarten

Kanada übernimmt im Jänner turnusgemäß die Präsidentschaft der G7 und Gastgeber Trudeau wird all seinen Charme und sein diplomatisches Geschick in die Waagschale werfen, damit der Weg zum Gipfel nicht zu einem Fehlschlag wird wie das Treffen im italienischen Taormina 2017, bei dem es krachte wie selten zuvor. Frei nach dem Motto: Trump gegen den Rest der G7-Welt.

Fünf Schwerpunkte hat sich Kanada vorgenommen - und die lassen neuerliche Dissonanzen erwarten. Darüber macht man sich in Ottawa keine Illusionen. Trudeau will im Rahmen der G7 vor allem die Gleichstellung der Geschlechter voranbringen, ein Thema, das bei Donald Trump nicht ganz oben auf der Agenda steht. Zumal es auch so sensible Punkte wie die weltweite Förderung von Empfängnisverhütung, Sexualkunde und legalen Schwangerschaftsabbrüchen beinhalten soll.

Dazu will Kanada neben den eher klassischen Themen Wachstum, Jobs und Sicherheit auch den globalen Klimaschutz weiter beackern, trotz des Rückzugs der Vereinigten Staaten aus dem Klimavertrag von Paris. Für Kanada ist das ein Spagat. Einerseits will und muss Trudeau seine umweltpolitische Agenda wahren. Andererseits hat er kein Interesse daran, den mächtigen Nachbarn aus dem Süden weiter in die Isolation zu treiben.

Dafür ist die wirtschaftliche, militärische und kulturelle Bande zwischen den G7-Staaten und den USA zu wichtig. Also wird Trudeau tun, was er ganz gut kann: Er wird Trump Brücken bauen und versuchen, die Vereinigten Staaten mit kleinen Schritten für die umstrittenen Themen zu gewinnen. Damit will er das Interesse der Amerikaner an den G7 trotz Trumps America-First-Parolen wach halten.

Klimaschutz durch die Hintertür

Beim Thema Geschlechtergerechtigkeit dürfte Trudeau zum Beispiel die Initiativen von Trumps Tochter Ivanka aufgreifen, die dafür eintritt, die Rolle der Frauen in der Wirtschaft zu verbessern. Auf bilateraler Ebene zwischen Kanada und den USA hat er eine solche Charmeoffensive bereits erprobt und eine entsprechende Arbeitsgruppe beider Länder ins Leben gerufen, sehr zum Wohlwollen von Vater Trump.

In Sachen Klimaschutz will Trudeau die USA mit Initiativen zum Schutz gefährdeter Küstenregionen locken. Dabei soll es darum gehen, diese Regionen besser auf die Folgen der Erderwärmung vorzubereiten. Trump könnte ein solches G7-Programm vor dem Hintergrund der jüngsten US-Naturkatastrophen in Texas, Florida und Puerto Rico als Investition in die Infrastruktur verkaufen.

Tatsächlich haben Trudeau und Trump im vergangenen Jahr trotz ihrer gegenteiligen Persönlichkeiten und dem einen oder anderen öffentlichen Scharmützel ein recht ordentliches Verhältnis zueinander entwickelt. Trudeau achtet peinlich darauf, Trump nicht zu sehr zu provozieren. Der wiederum schätzt den Mut und und die Chuzpe Trudeaus und bewundert dessen Starqualitäten.

In diesem Sinne könnte Trudeau der richtige G7-Gastgeber zur richtigen Zeit sein. Als eine Art Vermittler zu den USA wird er versuchen, den Klub der Mächtigen auch weiter relevant zu halten. In einer Zeit, in denen sich die wichtigste G7-Macht auf internationalem Parkett immer weiter zurückzieht und globale Führungsverantwortung ablehnt, wäre das schon ein Erfolg.