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Trugbild 40-Stunden-Woche

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft
Überstunden schieben und nicht fair dafür entlohnt werden? Dieses Schicksal haben im Vorjahr viele Arbeitnehmer erdulden müssen.
© bilderbox.at

Arbeiterkammer fordert Kürzung der Wochenarbeitszeit.


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Wien. Freitag, halb drei. Das Arbeitspensum ist erfüllt, die Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden erreicht. Eigentlich wäre es jetzt an der Zeit, den Hut zu nehmen und sich ins Wochenende zu verabschieden. Für viele Arbeitnehmer ist das aber keine Option: Nahezu jeder dritte Beschäftigte arbeitet mehr als im Dienstvertrag vereinbart, wie der neue Arbeitsklima-Index (AK-Index) aufzeigt. Was für viele Arbeitgeber erfreulich sein dürfte, geht nach Ansicht der Arbeiterkammer Oberösterreich auf Kosten des Arbeitnehmers - und der Gesellschaft.

Für 32 Prozent der Beschäftigten in Österreich hat die vertragliche Wochenarbeitszeit wenig mit der Arbeitsrealität zu tun - sie arbeiten regelmäßig mehr als vereinbart. Dieser Wert lag zwar im Jahr 2006 bereits bei 45 Prozent - sank jedoch im Zuge der Finanzkrise auf 30 Prozent, um nun wieder anzusteigen. Die Unzufriedenheit der Betroffenen mit ihrer Situation ist groß: Beinahe jeder Zweite wünscht sich eine vertragliche Reduktion der Arbeitsstunden oder eine Aufstockung des Vertrags auf die tatsächliche Arbeitszeit. Denn Daten des Statistikamtes Eurostat zufolge bleibt eine von vier in Österreich geleisteten Überstunden unbezahlt.

"Kürzere statt längere Arbeitszeiten"
Für die Arbeiterkammer Oberösterreich ist das ein untragbarer Zustand. Weil überlange Arbeitszeiten viele Arbeitnehmer anfällig für Krankheiten machen und zudem Arbeitsplätze kosten würden, gelte es, umzudenken: <p class="articleBlock">"Wir brauchen kürzere statt längere Arbeitszeiten. Das schafft Jobs und erhöht die Lebensqualität", fordert Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer.
Ganz anders sieht das die Wirtschaftskammer. In einer Reaktion auf die Ergebnisse des AK-Index verwies man auf die Studie "Working Condition Survey", derzufolge die Arbeitszeit von 62,9 Prozent der Arbeitnehmer ihren Wünschen entspreche. "In Österreich wird zudem weniger an Wochenenden als in den anderen EU-Ländern gearbeitet bzw. gibt es weniger Arbeitstage, an denen mehr als zehn Stunden gearbeitet werden muss", so der Leiter der Sozialpolitischen Abteilung der WKÖ, Martin Gleitsmann.

Kürzlich erst stellte Rudolf Trauner, Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich, zur Debatte, in bestimmten Branchen die Wochenarbeitszeit wieder zu verlängern. Speziell arbeitsintensive  Branchen, in denen regelmäßig mehr gearbeitet wird als vereinbart, würden Arbeitgeber mit teuren Überstunden belasten. "Denkverbote darf es vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels hier aber nicht länger geben", forderte Trauner.

Mehr Personal gegen Überstundenzuschläge?
Worte, die bei der Arbeiterkammer auf Widerstand stoßen. Eine derartige Arbeitszeitverlängerung "würde nur zu mehr Arbeitslosigkeit und gesundheitlicher Belastung der Beschäftigten führen", kritisiert Kalliauer. Und weist Unternehmen auf die Möglichkeit hin, dass man "teure Überstundenzuschläge, die sie oft beklagen, durch Einstellung von mehr Personal vermeiden" könne.

Immerhin ist die Arbeitszeit in vielen Branchen ohnehin bereits jenseits der 40-Stunden-Grenze, etwa bei Ärzten, Bediensteten bei Heer und Polizei sowie bei Geschäftsführern und Bauarbeitern. Insgesamt leisten in Österreich dem AK-Index zufolge 24 Prozent aller Beschäftigten mehr als 40 Stunden pro Woche. Für jeden Vierten heißt es demnach : Das Wochenende kann erst beginnen, wenn die Arbeit erledigt ist. Und das selbst in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation..