In Brüssel ist die Sommerpause angebrochen. Doch die Ruhe ist trügerisch. Denn nicht nur in Wien ist das Rennen um die EU-Kommissarsposten bereits ausgebrochen, vor allem große Länder haben ihre Claims schon abgesteckt.
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Dabei ist der Portugiese Jose Manuel Barroso, den die Regierungen als Kommissionspräsidenten nominiert haben, in einer schwachen Verhandlungsposition: Eine überraschend deutliche Allianz von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken verhindert bisher seine Bestätigung im EU-Parlament.
Das verzögert auch die Bildung der neuen Kommission. Denn formell teilt der Kommissionspräsident den EU-Ländern die Ressorts zu und wählt die Kommissare auf Vorschlag der Regierungen aus. Ohne Vorabstimmung mit den Mächtigen läuft aber nichts.
So haben Deutschland und Frankreich bereits abgemacht, Kernressorts wie Industrie, Binnenmarkt, Handel oder vielleicht auch Energie und Klimaschutz zu besetzen. Der jeweils andere Kandidat erhalte volle Unterstützung, lautet der Deal, an den Barroso sich halten muss. Dass die deutsche Kanzlerin Merkel bis zu den Wahlen Ende September noch keinen konkreten Kandidaten ins Rennen schickt, fällt kaum ins Gewicht. Nach den Umfragen wird ihr die SPD das Vorschlagsrecht nicht abnehmen können.
Frankreichs Präsident Sarkozy wird nachgesagt, seine Entscheidungen erst in letzter Minute und sehr persönlich zu treffen. Er hat zwar bereits den früheren Landwirtschafts- und Außenminister Michel Barnier als ausgezeichneten Kandidaten genannt. Gute Chancen soll aber auch Finanzministerin Christine Lagarde haben. Ebenfalls Anspruch auf ein zentrales Ressort hat Polen angemeldet. Ins Rennen geht hier der bisherige EU-Abgeordnete und Wirtschaftsexperte Janusz Lewandowski.
Kleinere EU-Staaten haben dagegen weniger Möglichkeiten, Druck auszuüben. So werden etwa dem slowakischen Ansinnen, künftig den Energiekommissar zu stellen, nicht die allergrößten Chancen zugerechnet. Dieser wichtige Posten wird zwar derzeit vom Letten Andris Piebalgs besetzt. Das liegt aber vor allem daran, dass ihm vor fünf Jahren noch nicht so große Bedeutung beigemessen worden war.
Und Österreich könnte mit dem ÖVP-Wunschkandidaten Wilhelm Molterer noch an Barrosos Frauenquote scheitern, die im Ernstfall kleinere Länder erfüllen müssen.
Für Ex-Außenministerin Ursula Plassnik gibt es in Brüssel offensichtlich mehr Unterstützer als in Wien. Ihre Linie "Ja zum Westbalkan, aber Nein zum EU-Beitritt der Türkei" passe recht gut zu den Anliegen von Merkel und Sarkozy, heißt es. Gerüchteweise ist sie als Erweiterungskommissarin im Gespräch. Bestätigung dafür gibt es aber bisher keine. Denn offiziell ist es dafür noch viel zu früh und außerdem Sommerpause.