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Der US-Präsident las im US-Kongress seine Rede artig vom Blatt ab und provozierte ausnahmsweise keinen Skandal.
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Washington. Donald Trump kann also auch in die Rolle des halbwegs normalen Politikers schlüpfen. Am Dienstagabend hielt er vor den Abgeordneten des US-Kongresses eine Rede, die - abgesehen von ein paar Trumpismen - auch Marco Rubio oder Ted Cruz so oder so ähnlich gehalten hätten.
Voll glühendem Pathos beschwor er den Aufbruch in eine neue Epoche: "Ein neues Kapitel amerikanischer Größe beginnt jetzt. Ein neuer Nationalstolz erfasst unsere Nation." Die Zeit der "banalen Kämpfe" sei nun vorbei, Trump appellierte an die oppositionellen Demokraten, an seinen Vorhaben mitzuarbeiten. Freilich: In den bisher 40 Tagen seiner Amtszeit - die Zeit seit dem 20. Jänner fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit - war es vor allem Trump und sonst niemand, der die "banalen" Konflikte vom Zaun gebrochen hat.
Aber immerhin: Trump hat sich am Kapitol verhalten wie ein erwachsener Politiker, nicht - wie man das bisher gewohnt war - wie der Demagoge, als der er durch den Wahlkampf gepoltert ist. Das ist eines der Charakteristika der neuen Trump-Ära: Wenn der Tweeter in Chief einmal nicht den lippenschürzenden Millimeter-Mussolini mimt, der mit verrückten, aggressiven Angriffen nur so um sich wirft, sondern er brav und artig vom Teleprompter das abliest, was ihm die Redenschreiber vorgegeben haben, dann ist das schon eine berichtenswerte Besonderheit.
Gemäßigte Rhetorik
Doch auch wenn Trump seine Rhetorik deutlich mäßigte, seine wichtigsten Superhits durften auch in seiner Rede vor den beiden Kammern des Kongresses, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, nicht fehlen: Er versprach, seine Aufmerksamkeit den von Washington und der Wirtschaft "vergessenen Männern und Frauen" zu widmen, als er einmal mehr eine "große Mauer" zum Nachbarland Mexiko ankündigte, brandete heftiger Applaus in den Reihen der Republikaner auf, als er seine Kampagnen-Platte "Make America great again" auflegte, ebenso. Er versprach, nun werde eine Ära steigender Löhne und Gehälter anbrechen, in Kohleminen und Fabriken werde wieder arbeitsame Betriebsamkeit Einkehr halten, Luft und Wasser würden blitzsauber und die Gesundheitsversicherung für alle Amerikanerinnen und Amerikaner werde endlich besser und billiger. "Wir haben wieder diese hauchzarten Versprechungen eines zukünftigen Amerikanischen Eden gehört, von einer Art Trumptopia, gehört", ätzten die Kommentatoren der "New York Times".
Wie der 45. Präsident der Vereinigten Staaten diese Trumptopia verwirklichen - und vor allem finanzieren - will, das blieb er den Kongressabgeordneten schuldig. Man gewinnt den Eindruck, dass der Immobilientycoon aus New York, den die populistische Welle ins Weiße Haus gespült hat, immer noch nicht kapiert hat, dass er nun zu regieren hat, dass das Wiederholen seiner Kampagnensprüchlein auf die Dauer wohl nicht genügen wird. Auf seine vollmundigen Ankündigungen, er werde Obamacare, die rudimentäre US-Gesundheitsversorgung, auf der Stelle aufkündigen und eine viel bessere und billigere Version vorstellen, sind bisher keine Taten gefolgt. Offenbar gibt es bis heute keinen realistischen Plan. Am Montag hatte er vor US-Gouverneuren geklagt: Niemand habe wissen können, dass eine Alternative zu Obamacare so kompliziert sein würde. Einmal mehr waren auch die Widersprüche in Trumps Ankündigungen auffällig: So wiederholte der US-Präsident seine Pläne eines billionenschweren Infrastrukturprogramms. Jeder, der die baufälligen Flughäfen, die holprigen Highways und maroden Zugstrecken der USA kennt, weiß, dass Geld dort tatsächlich nicht so schlecht aufgehoben wäre. Die dringend notwendigen Renovierungen und Reparaturen würden zigtausende Arbeitsplätze schaffen und die Republikaner können damit rechnen, dass auch die Demokraten zumindest diesen Vorhaben zustimmen würden.
Rüstung, Rüstung, Rüstung
Seine Budgetpläne sehen auch "eine der stärksten Ausgabensteigerungen" für die Verteidigung in der US-Geschichte" vor (das Verteidigungsbudget soll um 54 Milliarden Dollar, rund 51 Milliarden Euro, anwachsen). Auch das sollte viele Arbeitsplätze in den USA schaffen, das Praktische ist nämlich, dass Rüstungsgüter meist vor allem für den heimischen Markt produziert werden. Diese Rüstungspläne verunsichern freilich Amerikas Alliierte wie Amerikas Rivalen gleichermaßen: Auf eine Zeit historischer Aufrüstung folgt sehr oft eine Ära von Kriegen. Allerdings: Wer soll dafür bezahlen? Trump verspricht ja "massive Steuersenkungen" für die Mittelschichten. Gleichzeitig liegen die USA in puncto Pro-Kopf-Verschuldung auf Platz 14, weit vor Ländern wie Spanien, Frankreich, Österreich oder Deutschland.
Bisher waren es vor allem Japan und China, die Amerikas Schuldenberg finanziert haben. Warum aber sollten diese beiden Ländern weiterhin brav US-Treasury Bills kaufen, wenn sie gleichzeitig zur Zielscheibe von Trumps protektionistischen Maßnahmen zu werden drohen?
Kein Freund der Mittelschicht
Eines lässt sich schon heute sagen: Dass Trump tatsächlich einen Finger für die Mittelschichten rühren wird, ist hochgradig unwahrscheinlich. Die Strategie des angeblich milliardenschweren Plutokraten scheint es vielmehr zu sein, diesen "vergessenen Männern und Frauen" lateinamerikanische Einwanderer als Feindbild zu präsentieren, während das republikanische Establishment im Hintergrund alles dazu tun wird, die zarten Ansätze zur Regulierung der Finanzmärkte während der Präsidentschaft von Barack Obama rückabzuwickeln und dafür zu sorgen, dass die Gewinne von US-Ölfirmen und anderen Konzernen fröhlich sprudeln.
Die Bestätigung Ryan Zinkes als Innenminister am Mittwoch spricht auch dafür. Der Freund fossiler Energieträger entscheidet künftig darüber, ob Naturschutzgebiete ausgewiesen werden oder Fracking erlaubt ist.