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"Trump sollte Kim auf einen Hamburger treffen"

Von Klaus Huhold aus Seoul

Politik

Der Nordkorea-Konflikt könnte zum Dritten Weltkrieg werden. Deshalb muss mit Kim verhandelt werden, sagt der Experte Seong-Hyon Lee.


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Seoul. Donald Trump und Kim Jong-un erinnern an zwei Autofahrer, die frontal aufeinander zusteuern. Die große Frage, die über Krieg und Frieden in einer ganzen Weltregion entscheidet, ist nun, ob sie es tatsächlich darauf ankommen lassen, aufeinanderzuprallen. Oder ob sie das nur vorspielen, damit der andere ausweicht. "Ich hoffe sehr, dass Kim und Trump nur so tun, als ob sie verrückt genug sind, es auf einen Aufprall ankommen zu lassen", sagt Seong-Hyon Lee, Politanalyst vom Sejong-Institut, einer Denkfabrik in Seoul.

Nur ganz sicher sein kann man sich dabei nicht, und Lee, der den Nordkorea-Konflikt schon seit Jahrzehnten verfolgt und analysiert, wirkt durchaus beunruhigt.

Viele Politologen und Diplomaten, die sich mit Nordkorea beschäftigen, sind jedenfalls überzeugt, dass Kim nicht zu weit gehen will. Demnach wird Nordkoreas Staatschef niemals einen direkten Angriff gegen Südkorea oder die USA befehlen. Weil Kim weiß, dass er - bei aller Zerstörung, die er anrichten kann - so einen Krieg verlieren und damit sein Regime der Vernichtung preisgeben würde.

Wie Kim denkt,weiß man nicht so genau

Die atomare Aufrüstung ist für Nordkorea also eine Art Lebensversicherung. Tatsächlich haben nordkoreanische Medien auch schon auf das Beispiel Muammar al-Gaddafis verwiesen: Der frühere libysche Diktator hat auf Druck der USA und Großbritanniens die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen beendet. Später wurde er dann mithilfe des Westens gestürzt.

Niemand weiß allerdings so genau, wie Kim Jong-un denkt, wie es um seine Psychologie beschaffen ist, wie viel Realitätssinn ein Mann hat, der sich wie ein Halbgott verehren lässt. Die Geheimdienste kommen an sein engstes Umfeld nicht heran, und es hat sich bisher kein wichtiger Staatschef mit ihm getroffen. Die einzig prominente Person aus dem Westen, die Kim gerne und immer wieder empfängt, ist der exzentrische frühere Basketballer Dennis Rodman.

Auf jeden Fall ist Kim bereit, seine Provokationen sehr weit zu treiben. Dass das kommunistische Land am Sonntag nach eigenen Angaben eine Wasserstoffbombe getestet hat, ist ein Schlag ins Gesicht der internationalen Gemeinschaft. Auch seine Raketentests führt Nordkorea in immer kürzeren Abständen durch, wobei es viel schnellere technologische Fortschritte macht, als das noch kürzlich für möglich gehalten wurde.

Präsident Trump hat deshalb mit drastischen Worten betont, dass die militärische Option am Tisch liegt. Doch noch wollen die USA die diplomatischen Mittel ausreizen. Im UN-Sicherheitsrat plädieren sie nun für "größtmögliche Sanktionen" gegen das Regime in Pjöngjang - und haben dabei viele europäische Politiker auf ihrer Seite. Nur: Die Vetomacht Russland hat dem am Dienstag bereits eine Absage erteilt. Diese würden nur das Leid der Zivilbevölkerung vergrößern und hätten schon in der Vergangenheit nichts gebracht.

Vor allem aber will der wichtigste Akteur im Sanktionsreigen nicht weitere Strafmaßnahmen mittragen: die Regierung in Peking. "China glaubt nicht daran, dass Sanktionen etwas bringen", sagt Lee, der selbst elf Jahre lang in der Volksrepublik gelebt und geforscht hat. "Ganz im Gegenteil: China fürchtet, dass weitere Sanktionen in Nordkorea nur als Provokation aufgefasst werden und es sich noch unberechenbarer und konfrontativer verhält."

Peking sieht die USAals größeres Problem an

Dabei hätte die Volksrepublik laut Lee durchaus die Mittel, Nordkorea kräftigen Schaden zuzufügen: indem es die Versorgung mit Öl abdreht. Und genau das fordern die USA nun auch. Nur: Peking ist zwar ebenfalls über Nordkoreas Waffentest verärgert, es hätte viel lieber Ruhe in seinem Hinterhof. Es hat aber kein Interesse an einem Zusammenbruch Nordkoreas. Das könnte eine koreanische Wiedervereinigung unter südkoreanischer Führung mit sich bringen. Verbündeter dieses vereinten Koreas wären die USA, und damit stünden US-Soldaten direkt an der chinesischen Grenze.

"Nordkorea ist gar nicht das größte Problem für China", sagt der Politanalyst Lee bei einem Treffen mit einer Gruppe internationaler Journalisten in Seoul. "Das viel größere Problem für China sind die USA." Denn diese zeigen in der pazifischen Region rund um China massive militärische Präsenz und führen dort immer wieder militärische Übungen durch. China sieht dies auch gegen sich gerichtet - genauso wie das in Südkorea stationierte US-Raketenabwehrsystem Thaad. Auch wenn Seoul und Washington beteuern, Thaad diene lediglich dazu, nordkoreanische Raketen abzufangen, ist Peking der festen Überzeugung, dass es auch dazu verwendet wird, die chinesische Armee zu beobachten. Nach dem Atomtest Nordkoreas soll Thaad nun gar ausgebaut werden - was wiederum China nicht dazu motiviert, dem Sanktionsruf aus Washington zu folgen.

Doch nicht nur haben China und die USA in der Nordkorea-Frage unterschiedliche Interessen, sie könnten sogar in militärische Konfrontation zueinander geraten. Denn der Beistandsvertrag, den China 1961 mit Nordkorea unterzeichnet hat, ist weiterhin gültig. Auf der anderen Seite sind die USA die militärische Schutzmacht Südkoreas. Es reicht vielleicht schon ein Zwischenfall an der waffenstarrenden Grenze zwischen Nord- und Südkorea, der sich hochschaukelt, und die Situation gerät außer Kontrolle. "Ein bewaffneter Konflikt auf der koreanischen Halbinsel wäre kein regionaler Krieg", warnt Lee. "Sondern er hätte das Potenzial, zu einem Dritten Weltkrieg zu werden."

Weil die Situation so volatil ist, wäre eines besonders wichtig: "Dass es einen Notfallmechanismus zwischen China und den USA gibt." Dass Washington und Peking absprechen, wie sie im Fall der Fälle miteinander kommunizieren, dass sie einen gemeinsamen Plan haben, wie sie reagieren, damit die Lage eben kontrollierbar bleibt.

China will Pjöngjangnicht noch mehr reizen

Laut Lee drängen die USA China auch bereits zu informellen Gesprächen über dieses Thema. Nur Peking verweigert das. Denn verheimlichen vor Nordkorea könne man solche Absprachen ohnehin nicht. "China fürchtet, dass derartige Gespräche in Nordkorea missverstanden werden und es den Eindruck bekommt, dass sich China hinter seinem Rücken mit den USA verbrüdert und Pjöngjang betrügt." Das könnte wiederum Kim und seine Mitstreiter noch unberechenbarer und gefährlicher machen.

Dass Peking und Washington keine gemeinsame Linie finden, macht den Konflikt nicht ungefährlicher und könnte die Vereinigten Staaten zu militärischen Alleingängen veranlassen. Diese betonen ohnehin, dass sie alles andere - Drohungen, Sanktionen, aber auch diplomatisches Entgegenkommen, etwa unter Bill Clinton - versucht hätten und es nichts gebracht hätte.

"Das stimmt aber nicht", sagt Lee. Es gäbe noch eine Möglichkeit: "Direkte Gespräche auf höchster Ebene." Davor scheuen die USA freilich zurück, würden sie damit doch Nordkorea für sein Verhalten belohnen und ein gefährliches Vorbild schaffen. "Angesichts der Schwere der Situation sollte man es aber versuchen", sagt Lee.

Freilich sei das im Moment nur schwer machbar, wenn nach all den Vergehen und Waffentests Nordkoreas gerade an der Sanktionsschraube gedreht wird. Auf lange Sicht aber sollte man es mit einem doppelgleisigen Ansatz - also Drohungen und Gespräche - versuchen. Trump hat im Wahlkampf noch gemeint, dass er sich mit Kim auf einen Hamburger treffen und mit ihm verhandeln könne. Trump sollte nun zu dieser "Hamburger-Diplomatie" zurückkehren, sagt Lee.

Der Politexperte verbindet damit große Hoffnungen: Vielleicht könnte dies sogar zu einem Deal führen, sodass Nordkorea sein Atomwaffenarsenal aufgibt. Aber warum sollte Pjöngjang - das Beispiel Gaddafi vor Augen- das machen? "Es kann nur als multilaterales Abkommen funktionieren", meint Lee. China und die UNO müssten als Garantiemächte bereit stehen, dass die Zusagen, die Nordkorea für ein Ende seiner Aufrüstung erhält, auch eingehalten werden.

Die Debatte in den USAverschärft sich

Im Moment gehen die Entwicklungen aber in eine ganz andere Richtung. In den USA fordern Hardliner in der Republikanischen Partei und auch ehemalige Militärs bereits von Trump, dass er Taten setzt, die die militärische Drohkulisse gegenüber Nordkorea noch einmal vergrößern. Derartige Diskussionen beunruhigen Lee. "Nordkorea wird in den USA immer mehr als Gefahr gesehen", sagt der Forscher, der einst selbst seinen Master an der Harvard Universität gemacht hat. Und das kann wiederum in der öffentlichen Meinung den Ruf nach drastischen Maßnahmen immer lauter werden lassen.

Falls Nordkorea mit atomar bestückten Raketen tatsächlich die USA erreichen könne, ist Feuer am Dach. "Freilich müssen die USA auch Rücksicht auf ihre Alliierten in der Region nehmen", sagt Lee. Von einer Eskalation wäre etwa Südkorea massiv betroffen, es besteht die Gefahr, dass Nordkorea das nur 50 Kilometer von der Grenze entfernte Seoul in Schutt und Asche schießt. Aber: Vorrang habe laut Lee für die USA die eigene Sicherheit.

Wenn Trump diese bedroht sieht, dann könnte er endgültig mit Kim auf militärischen Kollisionskurs gehen - in der festen Überzeugung, dass er im stärkeren Gefährt sitzt.