Für den US-Politologen James Davis war der Auftritt des US-Präsidenten beim Nato-Gipfel vor allem eines: Show.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
US-Präsident Donald Trump hat den Druck auf die Nato-Partner, mehr Geld für Verteidigung auszugeben, erhöht. Die USA stünden zwar weiter zu dem Bündnis, die Partner müssten ihre Verteidigungsausgaben bis Jänner 2019 auf zwei Prozent des BIP erhöhen, so der US-Präsident. Sonst werde es einen US-Alleingang geben. Vor seinem Treffen mit Wladimir Putin am Montag meinte Trump, dieser sei ein "Konkurrent". Das Treffen mit dem Kreml-Chef in Helsinki "könnte das einfachste von allen auf meiner Europareise sein". Vor dem Gipfel hielt er ein Ende der US-Militärübungen zum Schutz der Nato-Partner im Baltikum für denkbar. Die "Wiener Zeitung" hat mit dem Politologen James Davis über den unberechenbaren Mann aus Washington gesprochen.
Wiener Zeitung: Der Nato-Gipfel in Brüssel ist vorbei. Wie lautet ihr Fazit?
James W. Davis: Wir haben atmosphärische Unruhe, die der US-Präsident in die Allianz hineingebracht hat. Da geht es um diese zwei Prozent und die mangelnden Fortschritte seitens der Europäer. Und von einem Tag auf den anderen sagt Trump, man habe eine enorme Verbesserung der Gesamtlage erzielt. Für mich zeigt das, dass Trump am Ende doch den Eindruck von Einigkeit vermitteln wollte. Er wollte nicht aus Brüssel abfliegen und einen Scherbenhaufen hinterlassen. Und er wollte das Ganze daheim als seinen Sieg verkaufen. Das passt zu seiner Politik insgesamt. Nicht die Tatsachen sind interessant, sondern die Story, die man daraus machen kann.
Und wenn man die Tatsachen würdigt: Hat Trump gewonnen?
Die Nato-Partner haben im Vorfeld des Gipfels gesagt, dass sie mehr Geld ausgeben werden. Das kann Trump durchaus als Teil seines "Sieges" verkaufen. Vielleicht war das ja auch die Strategie der Verbündeten: "Das, was wir ohnehin machen wollen, sagen wir Dir brav zu". Die Verbündeten lassen Donald Trump im Glauben, dass sie das nur seinetwegen machen (lacht).
Trump sieht Verteidigung als reines Business. Die deutsche Regierung weist etwa darauf hin, dass die Erhöhung der Ausgaben noch gar nichts bringt ...
Zahlen bringen gar nichts. Wir müssen von Fähigkeiten reden, Aufgaben zu erledigen. Zuerst muss man Ziele definieren und die dann in Zahlen herunterbrechen. Von der militärischen Logik her machen solche Zahlen wenig Sinn. Es ist aber klar, dass wir mehr ausgeben müssen.
Trump kokettiert permanent mit einem Austritt der USA aus der Nato. Wie wichtig ist ihm das Bündnis wirklich?
Man weiß nie, was in seinem Kopf vorgeht. Aber die Nato ist für die USA von essenzieller Bedeutung. Es gibt eine fast 100-prozentige Zustimmung im Senat. Ohne Nato können die USA in vielen Bereichen nicht tätig werden - im Nahen Osten, in Richtung Kaukasus, Afrika: Alles läuft über Europa und Nato-Stützpunkte.
Der große Gipfel mit Präsident Putin steht am Montag an. Da sind die Befürchtungen groß, dass Trump zu viele Zugeständnisse machen könnte. So könnte sich Trump vorstellen, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr an Manövern im Baltikum teilnehmen. Was erwarten Sie von diesem Treffen?
Ich bin mir sicher, dass im Pentagon niemand ernsthaft über ein Aussetzen der Militärmanöver im Baltikum nachdenkt. Ganz im Gegenteil. Das zeigt: Trump ist unberechenbar. Der US-Präsident hat aber in Brüssel ein Kommuniqué unterschrieben, wo festgehenalten ist, dass sich Russland im Fall der Krim massiv völkerrechtswidrig verhalten hat. Da steht auch, dass Russland Soldaten aus Moldawien und Georgien abziehen soll. Es werden starke Positionen gegen Moskau artikuliert und Trump hat diese Erklärung unterschrieben. Auch wenn er bereit ist, außerhalb des Konsenses zu agieren, er wird schon in Schach gehalten.
Sie glauben also nicht, dass Trump am Montag in Helsinki alles über den Haufen wirft?
Nein. Ich glaube, man wird sich darauf einigen, eine Reihe weiterer Gespräche auf der Arbeitsebene zu führen. Es gäbe ja viel zu besprechen.
James W. Davis ist ordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Schweizer Universität St. Gallen und auf Nato-Fragen spezialisiert.