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Trumpokratie von Putins Gnaden

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

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Vor einem Jahr, im Juli 2017, trafen Wladimir Putin und Donald Trump beim G20-Gipfel in Hamburg erstmals aufeinander. Im November gab es ein zweites Treffen beim Apec-Gipfel in Vietnam. Jedes Treffen wurde von kritischen Fragen der Medien begleitet: Bis heute gibt es den durch Indizien gut unterfütterten dringenden Verdacht, dass Russland versucht hat, die US-Präsidentenwahl 2016 zugunsten Trumps zu entscheiden.

Dieser pries damals die Veröffentlichung von E-Mails von Hillary Clintons Email-Server durch Wikileaks. "Russen - falls ihr zuhört - vielleicht findet ihr ja die 30.000 fehlenden Emails", sagte Trump Ende Juli 2016 in einer Wahlkampfrede. Davor, im April 2016, hatte ein Geheimdienst eines baltischen Staates abgehörte Telefonate an die CIA übermittelt, in denen Russen über Finanzierungsmöglichkeiten der Trump-Kampagne diskutiert hatten. Und im Sommer 2016 flog der Chef des britischen Nachrichtendienstes GCHQ nach Washington, um den damaligen CIA-Chef John Brennan über abgehörte Gespräche zwischen der Trump-Kampagne und bestimmten russischen Individuen zu informieren.

Vor diesem Hintergrund ist das Treffen zwischen Putin, der als KGB-Agent in Dresden erlebte, wie die Demonstranten im Jänner 1990 zuerst auf das Stasi-Hauptquartier losgingen und danach auf die KGB-Außenstelle losstürmten, und dem Immobilientycoon, Wrestling-Manager und TV-Showstar Trump zu sehen. Dass Trump Autokraten wie Putin allemal lieber sind als der Freiheit und dem Pluralismus verpflichtete Demokraten wie Angela Merkel, macht die Sache noch schlimmer.

Neben diesem Agententhriller gibt es aber noch etwas, das Demokratie-Liebhaber in Europa stutzig machen sollte: Denn es gibt auch eine geopolitische Erklärung für Trumps Russophilie. Wenn man davon ausgeht, dass der US-Präsident und seine engsten Berater wie etwa der sinophobe Wirtschaftsberater Peter Navarro die größte Bedrohung in China sehen, dann braucht die Trump-Administration gute Beziehungen zum Kreml. Denn nur wenn es gelingt, einen Keil zwischen China und Russland zu treiben, können die USA das Reich der Mitte in Schach halten.

Dass das umgekehrt auch galt, wussten in den 1970ern Henry Kissinger und Richard Nixon. Nixon gelang es, China gegen die Sowjets auszuspielen und die UdSSR zu isolieren, wenn auch um den Preis, dass die USA sich aus Chinas Einflusssphäre in Südostasien zurückzogen.

Europa blickt nicht ohne Grund mit Misstrauen auf das Treffen in Helsinki: Es ist ein Treffen von zwei Gegnern Europas.