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Trumps Nullsummenwelt

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

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Es gibt zwei Arten, der Welt gegenüberzutreten: mit Zutrauen und Zuversicht oder mit Misstrauen und Angst.

Die einen - wie Barack Obama - schreiben "Yes, we can!" ("Ja, wir schaffen das!") auf ihre Banner; für andere - wie Donald Trump - wird "Build the wall!" ("Baut die Mauer!") zum Schlachtruf.

Der Titel von Obamas im Jahr 2006 erschienen Buch, mit dem er den Grundstein für seine Präsidentschaftskandidatur legte, lautete übersetzt: "Hoffnung wagen: Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream". Was für ein Gegensatz zu Trumps Schlüsselbuch aus dem Jahr 2011, das heute als Wahlkampfmanifest gelesen werden kann! Titel: "Time to get Tough - Making America Number 1 Again" ("Zeit, hart zu werden").

Obama hat bis zum letzten Tag seiner Präsidentschaft auf eine Welt der Kooperation gesetzt (wunderbar in Szene gesetzt übrigens im sehenswerten Dokumentarfilm "The Final Year" über Obamas letztes Jahr im Amt), Trump vom ersten Tag seiner Präsidentschaft auf eine Welt des Konflikts, wie er auch in seiner dystopischen Inaugurationsrede dargelegt hat.

Als US-Präsident lebt Trump in einer Nullsummenwelt, in seiner Realität werden Menschen nicht durch Hoffnung zum Handeln inspiriert, sondern durch Angst. Damit Amerika wieder "great" werden kann, müssen - so denkt Trump - China, aber auch Europa Federn lassen. Der nun möglicherweise zum Handelskrieg eskalierende Handelsstreit zwischen den USA und China ist auf diese Weise zu interpretieren. Die optimistische Interpretation ist, dass die von Trump verhängten Strafzölle als eine Art krude Einladung zum Dialog zu verstehen sind. Nach dieser Leseart könnte am Ende so etwas wie das Plaza-Abkommen stehen. Dieses Abkommen haben die USA im September 1985 mit Japan und den europäischen Exportnationen im Plaza-Hotel in New York unterzeichnet. Das Ergebnis war eine drastische Abwertung des US-Dollar gegenüber der Deutschen Mark und dem Japanischen Yen. Möglicherweise hofft Trump darauf, dass er die Wettbewerbsposition der USA am Weltmarkt auf ähnliche Weise verbessern wird können.

Die große Frage zu einem solchen Szenario lautet: Kann Trump von seiner Perspektive einer Nullsummenwelt auf eine Weltsicht umschwenken, in der man Probleme mit seinen Gegenübern im Dialog löst? Das ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar. Die einzige Hoffnung: Trump lebt ganz nach der Devise des deutschen Ex-Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Dieser hat einmal gesagt: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?"

Worte haben in Trumps Nullsummenwelt kaum Gewicht. Europäern und Chinesen bleibt nur - um es mit Obama zu sagen -, Hoffnung zu wagen.