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Trumps Reise nach Jerusalem

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert.

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Das Spiel erfreut sich bei Kindern ungebrochener Beliebtheit: die Reise nach Jerusalem. Stühle stehen im Kreis - in jeder Runde ein Stuhl weniger, als der Anzahl der Teilnehmer entspricht. Die Musik spielt, alle bewegen sich um die Stühle: Wenn die Musik stoppt, gibt es stets einen Verlierer, denn irgendjemand findet keinen Sessel mehr.

Mit Donald Trumps Erklärung, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und die Stadt als Hauptstadt Israels anzuerkennen, gibt es gleich mehrere Verlierer: An erster Stelle stehen die Palästinenser. Sie erheben ebenfalls Anspruch auf Jerusalem. Der Ostteil der Stadt soll nach dem Willen der Palästinenser eines Tages Kapitale eines Palästinenserstaats sein. Doch die heikle Jerusalem-Frage wurde im Osloer Abkommen ausgespart und sollte gemeinsam mit den anderen offenen Fragen bei einer abschließenden Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts geklärt werden. Um diesen internationalen Konsens nicht zu gefährden, hat kein Land eine Botschaft in Jerusalem.

Die zweite Gruppe der Verlierer sind die friedliebenden Bürger beider Seiten: Um den israelisch-palästinensischen Konflikt war es zuletzt ruhig geworden, Feindseligkeiten und Gewalt bewegten sich auf einem im historischen Vergleich niedrigen Niveau. Trumps Ankündigung könnte nun den Konflikt wieder anheizen. Das freut zwar die Hardliner auf beiden Seiten, friedliebende Bürger dafür umso weniger.

Der dritte Verlierer ist die US-Diplomatie. Die USA spielten im Nahost-Friedensprozess stets eine wichtige Rolle, obwohl Europa sowohl der wichtigste Wirtschaftspartner Israels als auch der wichtigste Geldgeber für humanitäre Hilfe in den Palästinensergebieten ist. Nach Trumps Entscheidung können die USA ihre Vermittler-Rolle nicht mehr länger glaubwürdig ausfüllen.

US-Präsident Donald Trump will Gewinner im Spiel "Reise nach Jerusalem" sein: Mit seiner Entscheidung wäre ein Wahlversprechen erfüllt (allzu viele Erfolge in diese Richtung kann er sich ja nicht an die Brust heften) und mit der Diskussion um Jerusalem kann er herrlich von seiner eben beschlossenen höchst unpopulären Steuerreform und den ihm immer gefährlicher näherrückenden Russland-Ermittlungen ablenken.

Am Ende könnte Donald Trump freilich zwischen allen Stühlen landen.