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Trumps Schatten über grünen Wiesen

Von Konstanze Walther

Politik

Beim Europäischen Forum Alpbach wird über Ursache und Wirkung von Populismus diskutiert.


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Alpbach. Es wuselt wieder in den Tiroler Alpen. Bergauf, bergab hetzen junge Menschen zu der nächsten Veranstaltung. Wildlederslipper und Halbschuhe bewegen sich im Gleichklang neben Flip-Flops, Segelschuhe neben Converse-Tretern, auch Bundesheer-Stiefel sind dabei: Alle müssen die Höhenmeter auf dem schmalen Gehsteig gemeinsam bewältigen, der die Veranstaltungsorte in dem kleinen Bergdorf verbindet. Kurzum: Das alljährliche Europäische Forum in Alpbach hat diese Woche seinen Startschuss erlebt. Es wird immer größer.

"Good, isn’t it?", fragt der Mann bei der Registrierung. 5000 Menschen haben sich heuer für die kommenden Wochen angesagt. Und weil das vor vielen Jahrzehnten ausgerufene Dorf der Dichter und Denker frisches Blut braucht, verordnet sich das Forum mittels der den Gesprächen unmittelbar vorgeschobenen "Seminarwoche" eine jährliche Frischzellenkur: Unzählige Studenten aus der ganzen Welt, in großer Mehrheit unter 30 Jahren und oft über diverse Stipendien zum Forum gekommen, wälzen in Vor- und Nachmittagsseminaren sowie Workshops die großen Probleme der Welt.

Dabei werden von der Vergangenheitsbewältigung über das verantwortungsbewusste Konsumieren hin zu Spieltheorie so ziemlich alle Disziplinen durchexerziert. Die angereisten internationalen Professoren und Experten halten in einem kleineren, informelleren Rahmen ihre Vorträge. In den Seminaren sitzen jene, die gerade ihre Masterarbeit zu dem Thema abgegeben haben, genauso wie jene, die sich das Seminar just ausgesucht haben, weil es ihrer eigenen Disziplin so fremd ist. Doch es geht nicht so sehr um eine Spezifizierung, sondern mehr um das Vernetzen der Themenbereiche, um die Welt besser zu begreifen und den Samen der Aufklärung möglichst breit zu streuen. Alpbach, das sich am Ortseingang, in Stein gemeißelt, noch immer über die einst verliehene Auszeichnung "schönstes Blumendorf Europas" freut, verwandelt sich bis zum 1. September in einen einzigen Debattierklub mit anschließendem Netzwerktreffen. Das diesjährige Generalthema des Forums, "Konflikt und Kooperation", ist so zeitgemäß wie seit langem nicht.

Das Volk als mythisches Wesen

Es ist angesichts des Zustands der Welt nicht verwunderlich, dass das Seminar mit dem Thema "Populismus und post-faktische Politik" laut dem Politologie-Professor aus Princeton, Jan-Werner Müller, den größten Zulauf erfahren hat. US-Präsident Donald Trump ist hier spürbar. Ungarns Premier Viktor Orban wird viel zitiert. Und als ein chinesischer Student bei der Vorstellungsrunde selbstironisch erklärt, in China hätte man ja kein Problem mit Populismus, gibt es mitfühlendes Gelächter. Denn die Teilnehmer wissen: Derzeit ist kaum ein Land vor Populismus gefeit. Von links oder von rechts. Jene Studenten aus Österreich wissen das genauso wie die aus Ungarn angereisten - oder aus Dänemark, oder aus Italien.

"Früher dachte ich, Populismus ist ein Problem ärmerer Länder", erklärte die in Italien geborene Historikerin Susi Meret von der Universität in Aalborg, die das Seminar gemeinsam mit Müller leitet. Doch dann zog sie nach Dänemark, wo die rechtspopulistische Dänische Volkspartei ständig an Stimmen gewann. Ähnliches ist in anderen skandinavischen Ländern zu beobachten. In Frankreich ist der Front National mit Marine Le Pen inzwischen ein Fixstarter in den Präsidentschafts-Stichwahlen. "Die Frage ist: Ist Donald Trump nur das Symptom oder die Konsequenz einer Entwicklung?", formulierte es Meret.

Trump hat jedenfalls viel von Populisten, die schon länger an der Macht sind, gelernt und übernommen. Etwa von Ungarns Premier Orban: Dessen Partei, Fidesz, gewann 2010 die Wahlen mit etwas mehr als 52 Prozent der Stimmen, was in einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament resultierte. Danach sei Orbans Mantra laut Müller immer gewesen: "Kritisiert uns nicht, denn wir implementieren nur den Willen der Bevölkerung."

Trump machte die klassischen Populismus-Stadien durch: Zuerst wird die theoretische Idee, wer oder was "das Volk" ist, geboren, dann wird dem mythischen Wesen Volk ein singuläres Wollen und Denken angedichtet, und schließlich präsentiert sich ein Populist wie Trump mit dem Endergebnis: "Ich bin eure Stimme." Mit diesem Mythos vom Mandat des einzigen wahren Volkswillens kann er nun immer gegen andere demokratische Institutionen argumentieren.

"Natürlich ist es so, dass wir in einer Demokratie auf Zahlen angewiesen sind. Wir müssen die Stimmen in den Urnen zählen. Aber es ist den Populisten eigen, zu sagen: Nur sie haben den Willen des Volkes. Sie wissen sogar den Willen des Volkes vor der Abstimmung", meint Müller.

Als Orban 2016 zu einem Referendum über die Verteilung von Flüchtlingen durch die EU aufrief, sprach sich zwar die überwältigende Mehrheit der Wähler dagegen aus. Doch das Quorum selbst, also die Zahl jener, die überhaupt zur umstrittenen Abstimmung gegangen sind, war zu gering, um rechtliche Auswirkungen zu haben. Daraufhin behauptete Orban, dass jene, die zuhause geblieben sind, die "schweigende Mehrheit" sind, die ihm aber grundsätzlich zustimmen. "Es gibt immer einen Weg, eine andere Geschichte zu konstruieren", stellt Müller fest. Das bedeute aber auch, dass man nicht zu denen gehören dürfe, die sagen, dass die Wahl Trumps ein Missverständnis gewesen sei. Denn das würde genau dem Realitätsverständnis der Populisten entsprechen.