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Trumps Suche nach dem Schurkenstaat

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter. Alle Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Bei schlechten Umfragewerten im eigenen Land suchen US-Präsidenten gerne das Heil im Kampf gegen äußere Feinde.


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Besonders die republikanischen Vorgänger von US-Präsident Donald Trump wussten es nur zu gut: Waren ihre Umfragewerte im eigenen Land im Keller, bedurfte es eines Feldzugs gegen einen Schurkenstaat. Gegen einen äußeren Feind, der möglichst weit von Nordamerika entfernt sein sollte, der jedoch von einer breiten Öffentlichkeit als Bedrohung wahrgenommen wurde. Das sollte die gespaltene Zivilgesellschaft zusammenschweißen. Kaum hatte George H. W. Bush sich entschlossen, 1991 in der "Operation Wüstensturm" den irakischen Diktator Saddam Hussein nach dessen Überfall auf Kuwait militärisch unter Druck zu setzen, schnellten seine Umfragewerte wieder in die Höhe.

Zehn Jahre später sollte George W. Bush es seinem Vater gleichtun. 2001 erfolgte der Angriff auf Afghanistan, den er wohlweislich als "Krieg gegen den Terror" (und nicht als "Krieg gegen Osama Bin Laden") bezeichnete. Damit gelang es Bush Junior, auch die Europäer mit ins Boot zu holen, wie der renommierte Journalist Bob Woodward feststellte. Für den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg 2003 hatte Bush zwar nur die Schützenhilfe des britischen Premiers Tony Blair gewonnen. Terroristische Anschläge in Europa veranlassten aber bald schon die Regierungschefs der EU, mit den USA Seite an Seite zu kämpfen. Egal, ob es sich nun um einen republikanischen (George W. Bush) oder einen demokratischen (Barack Obama) Präsidenten handelte.

Die dem Demokraten Obama gegenüber positive internationale Berichterstattung konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen: Der US-Exzeptionalismus - also die moralische und weltpolitische Sonderstellung, auf die jede US-Regierung beharrt - hat sich nie geändert. EU-Regierungschefs wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel haben diesen moralischen Machtanspruch der USA nicht nur geduldet, sondern ihn sogar für ihre eigenen Programme übernommen.

Trumps Wahlslogan "America first" führte der Staatengemeinschaft diesen Überlegenheitsanspruch schließlich wieder deutlich vor Augen. Derzeit ist Trump auf Konfrontationskurs - und auf der Suche nach einem neuen äußeren Feind. In seiner einjährigen Amtszeit als US-Präsident haben sich die gesellschaftlichen Probleme im eigenen Land nämlich weiter zugespitzt. Im August 2017 wurde zum Beispiel der Konflikt zwischen den früheren Nord- und Südstaaten der USA wiederbelebt.

Nordkorea und der Iran führen laut Trump die Liste der Schurkenstaaten an, die jeder US-Präsident selbst festlegt. Saudi-Arabien, Pakistan oder die Türkei wird man darauf vergeblich suchen. Nicht, weil diese Länder den USA besonders sympathisch wären. Die gegenseitige Loyalität beruht auf Abkommen und geostrategischem Kalkül.

"America first" erhält somit wieder jene Bedeutung, die es schon immer hatte: eine Sonderstellung für die USA, die sich nicht an internationale Abkommen zu halten brauchen, aber zumindest ein paar Verbündete für den nächsten Feldzug benötigen. Gegen den Iran sind es mit Saudi-Arabien und Israel im Augenblick mehr als gegen Nordkorea. Eine Vermittlung dürfte sich in beiden Fällen schwierig gestalten.