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Gerade, weil Tschechen und Österreicher aus historischen Gründen viel gemeinsam haben, ist die Gefahr sehr groß, wesentliche Unterschiede im heutigen Verhalten zu ignorieren.
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Eine österreichische Bank entsendet einen ihrer Manager als Abteilungsleiter für den Bereich Corporate Finance nach Tschechien. Er soll in Zusammenarbeit mit tschechischen Führungskräften eine neue Abteilung aufbauen und die persönliche Betreuung wichtiger Kunden übernehmen. Er merkt aber bald, dass er mit seinen tschechischen Kollegen nicht so gut zusammenarbeiten kann, wie er sich das gewünscht hätte. Immer wieder versucht er deutlich zu machen, wie das Bankgeschäft aufgebaut werden sollte, versucht seine Erfahrung einzubringen, indem er darauf verweist, welche Abläufe und Vorgehensweisen sich in seiner bisherigen Tätigkeit bewährt haben. Aber seine gut begründeten Vorschläge werden oft nicht oder nur widerwillig aufgenommen und eines Tages bekommt er mit, dass ihn seine tschechischen Kollegen heimlich "den Professor" nennen, weil er immer alles besser weiß. Er ist betroffen, weil er nicht gedacht hätte, dass seine Vorschläge und sein Wissen derart negativ ankommen.
Für Tschechen steht in der Interaktion und Kommunikation die Person, mit der man es zu tun hat, stärker im Vordergrund als die Sache, über die man spricht, vor allem im Vergleich zu einer Unterhaltung im Arbeitskontext in Österreich. Dies wirkt sich beispielsweise darauf aus, dass man lieber miteinander spricht als zu schreiben, dass es sehr wichtig ist, sich gegenseitig kennenzulernen und "menschliche" Anknüpfungspunkte zu finden, bevor man erfolgreich zusammenarbeitet. Eine gute Atmosphäre während eines Gespräches wird hergestellt, indem man sich über den anderen erkundigt, viel Smalltalk in ein Gespräch einfließen lässt und auch Dinge erwähnt, die zum Beispiel in einem österreichischen Arbeitskontext als "nicht zur Sache gehörig" angesehen würden. Berufs- und Privatleben, Gefühle und Verstand, die Rolle, die eine Person in einem bestimmten Kontext einnimmt und er selbst als Person oder auch der formelle und informelle Informationsaustausch werden miteinander stärker als in Österreich vermischt.
Konflikte nicht direkt ansprechen
So ist es normal, dass private und geschäftliche Kontakte oft zusammengehören und dass die informelle Kommunikation die formelle teilweise völlig ersetzen kann, das heißt die wichtigen Dinge werden häufig nicht im Meeting, sondern vor dem Meeting im Rahmen informeller Begegnungen besprochen. Verhalten und Gefühle von Verpflichtung werden stärker von den Personen, mit denen man es zu tun hat, bestimmt als von allgemeinen Regeln, Pflichten oder Gesetzen. Freundschaft verpflichtet beispielsweise stärker als eine abstrakte Regel und Pflichten.
Einige Ratschläge für geschäftliche Verhandlungen: Verabredungen sollten rechtzeitig getroffen und pünktlich eingehalten werden. Der erste Kontakt dient eher dazu, einander kennenzulernen und die tschechischen Partner von der eigenen Vertrauenswürdigkeit zu überzeugen. Eine zu detaillierte Planung oder Strukturierung wird oft als Einengung empfunden, deshalb sollten Sie nicht zu früh auf eine Entscheidung oder ein bestimmtes Vorgehen drängen. Lassen Sie immer Raum für Improvisationen, Kreativität und Einfallsreichtum, und seien Sie gelassen, wenn etwas nicht so läuft, wie Sie es ursprünglich geplant haben. Vor allem sollten Konflikte und Probleme nicht direkt, sondern auf Umwegen, durch Andeutungen und weitschweifige Erklärungen angesprochen werden. Achten Sie auch auf Andeutungen und nonverbale Signale der Gesprächspartner.
Gerhard Hain ist Managing Partner der Unternehmensberatung ti communication Dr. Fischhof GmbH in Wien.
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E-Mail: wien@ticommunication.eu