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Tschechien ist Mitteleuropas El Dorado für Auslandsinvestoren

Von Ute Mehnert

Europaarchiv

Lange galt Tschechien als ökonomischer Musterschüler unter den EU-Beitrittskandidaten. Mit der Rezession Ende der 90er Jahre wurde die Republik zum Sorgenkind. Inzwischen stellen die EU-Kommission und andere Wirtschaftsexperten dem kleinen Land jedoch im Schnitt wieder gute Noten aus.


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Das Wirtschaftswachstum ist seit 2000 wieder im positiven Bereich, blieb aber jeweils deutlich unter der Rekordmarke von 1995 (4,8%). Erst kürzlich korrigierte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose für das laufende Jahr von zuvor 3,2% auf jetzt weniger als 2% nach unten. 2004 soll die tschechische Wirtschaft dann wieder um 3% wachsen.

Zu den größten Schwächen gehören ein beträchtliches Haushaltsdefizit, ein mit zahlreichen faulen Krediten belasteter Bankensektor und die hohe Arbeitslosigkeit, die sich seit Mitte der neunziger Jahre auf derzeit knapp 9% Prozent verdoppelt hat. In strukturschwachen Regionen wie Nordböhmen und Nordmähren liegen die Quoten mit mehr als 15% noch deutlich höher.

Aus Sicht der EU-Kommission sind zudem Korruption und Wirtschaftskriminalität in Tschechien "Besorgnis erregend hoch". Auch deutsche Unternehmer und Investoren, die im Land aktiv sind, bezeichneten fehlende Rechtssicherheit und Korruption in einer Umfrage der deutsch-tschechischen Industrie- und Handelskammer vom vergangenen Jahr als besonders wunde Punkte. Auch das Steuersystem und die Wirtschaftspolitik erhielten dort nur ein "Ausreichend". Laut Oliver Stönner, Analyst bei der Commerzbank Economic Research, bietet Tschechien für ausländische Investoren dennoch weitaus stabilere Verhältnisse als etwa der größere Nachbar und Mit-Beitrittsstaat Polen.

Die größte ökonomische Stärke Tschechiens liegt nach einhelliger Expertenmeinung in seinen gut ausgebildeten und hoch motivierten Arbeitskräften bei im Vergleich zum EU-Durchschnitt immer noch niedrigen Lohnniveau. So liegt der durchschnittliche Bruttomonatslohn bei 415 Euro - in Deutschland ist er mit 2.778 Euro fast sieben Mal so hoch.

Die tschechischen Arbeitskräfte, die überdies meist über gute Deutsch- und Englischkenntnisse verfügen, sind ein wesentlicher Grund dafür, dass sich Tschechien zum El Dorado für Auslandsinvestoren entwickeln konnte. Im vergangenen Jahr flossen knapp vier Mrd. Dollar an ausländischen Direktinvestitionen ins Land. Rund ein Drittel aller Auslandsinvestitionen - seit 1993 mehr als 30 Mrd. Dollar - kamen nach Auskunft der vom tschechischen Wirtschaftsministerium gegründeten Agentur CzechInvest aus Deutschland.

Der tschechische Außenhandel ist bereits stark auf Europa ausgerichtet, und auch hier ist Deutschland mit Abstand größter Partner der Republik: Fast 40% der tschechischen Exporte entfallen auf Deutschland, rund 30 weitere Prozent auf die übrigen EU-Staaten. Der deutsche Anteil an den tschechischen Importen liegt ebenfalls bei 40%; Die deutschen Ausfuhren nach Tschechien haben sich mit einem Wert von knapp 16 Mrd. Euro im vergangenen Jahr seit 1997 fast verdoppelt.