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Tschechien: Sieger ODS mit Koalitionsproblemen

Von WZ Online

Europaarchiv

ODS ist stimmenstärkste Partei | Patt im Parlament | Die konservative Demokratische Bürgerpartei ODS hat die Parlamentswahl in Tschechien gewonnen. Nach Auszählung aller Wahllokale am Samstag erhielt die bisherige Oppositionspartei von Mirek Topolanek 35,38 Prozent der Stimmen. Die Sozialdemokraten (CSSD) von Premier Jiri Paroubek blieb mit 32,32 Prozent dahinter. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,5 Prozent. Wahlberechtigt waren 8,3 Millionen Tschechen.


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Die Regierungsbildung könnte sich schwierig gestalten. Es zeichnet sich nämlich eine Pattsituation bei der Mandatsverteilung in dem 200-köpfigen Abgeordnetenhaus ab. Sowohl eine Koalition aus ODS gemeinsam mit den Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen auf der einen Seite als auch die Sozialdemokraten (CSSD) zusammen mit den Kommunisten (KSCM) auf der anderen Seite verfügen wahrscheinlich jeweils über 100 Parlamentssitze. Ein Ausweg könnte eine Große Koalition - wie in Deutschland - sein. Die Vorsitzenden von ODS und CSSD, Topolanek und Paroubek, hatten eine solche im Wahlkampf ausgeschlossen.

Die KSCM erhielt als drittplatzierte Partei 12,81 Prozent. Die bisher mit den Sozialdemokraten regierende KDU-CSL errang 7,22 Prozent. Und die Grünen können mit 6,29 Prozent erstmals ins Parlament einziehen.

Verbale Kraftakte

Zu einem verbalen Schlagabtausch kam es schon während der Auszählung. Der amtierende tschechische Ministerpräsident Jiri Paroubek kündigte an, das Ergebnis der Parlamentswahl in seinem Land möglicherweise anfechten zu wollen. Er warnte nach dem Sieg der konservativen Demokratischen Bürgerpartei ODS auch vor einer "blauen Diktatur". Blau ist die Farbe der ODS.

Die Regeln des Wahlkampfes seien verletzt und falsche Informationen über seine Person verbreitet worden, begründete Paroubek am Samstagabend vor Journalisten seine Zweifel an dem Wahlergebnis. Konkret nannte er etwa den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch seine Person. Angriffe wie diese seien eine "beispielslose Manipulation" gewesen.

In einer scharfen Rede prangerte er detailiert die Wahlkampagne der ODS an, nannte konkrete Namen einiger Journalisten, die ihn kritisiert hatten und sagte, dass die Demokratie in Tschechien einen Schlag bekommen habe, den man mit dem Jahr 1948, also der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei, vergleichen könne - mit dem Unterschied, dass jetzt eine "blaue Diktatur" drohe.

ODS-Vizechef Petr Necas reagierte auf die Vorwürfe des Premiers: Dies seien die Worte eines enttäuschten Mannes, sagte er. "Paroubek schadet der Tschechischen Republik im Ausland und trägt nicht zu einem guten Ruf des Landes bei den Finanzleuten und Investoren bei." Zur Frage einer Großen Koalition mit der CSSD sagte Necas, für jede demokratische Partei müsse es "ein riesiges Problem" sein, sich mit den Sozialdemokraten an einen Verhandlungstisch zu setzen.