Temelin sei wegen Erdbeben nicht gefährdet. | Atomkraftgegner im Nachbarland auf verlorenem Posten. | Prag/Wien. Proteste in Deutschland, Sorgen in der EU, ein Aufschrei der Umweltschutzorganisationen - während international die Vorfälle in Japans Kraftwerken für eine heftige Atomdebatte sorgen, bleibt man in Tschechien gelassen, was die Sicherheit der eigenen Reaktoren anbelangt.
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Prag sieht etwa keine Notwendigkeit, die Erdbebensicherheit des in Österreich umstrittenen Meilers Temelin neu zu bewerten. Dieses könne "ein Erdbeben in der Größenordnung von 5,5 auf der Richterskala überstehen", sagte der Vize-Leiter des Amts für Atomsicherheit, Petr Brandejs, der Deutschen Presse-Agentur. Ein Beben einer derartigen Stärke sei in der Region um Temelin ohnehin nicht zu erwarten, fügen die Behörden in Prag hinzu.
Was die von Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich geforderten Stresstests für europäische Atomkraftwerke angeht, gibt man sich im tschechischen Industrieministerium auf Anfrage der "Wiener Zeitung" bedeckt. "Welche internationalen Empfehlungen sich aus den Vorfällen aus Japan auch ergeben, wir werden sie einhalten", heißt es aus der Presseabteilung. Außerdem würden die beiden Kraftwerke Dukovany und Temelin ohnehin ständig von der Internationalen Atomenergiebehörde überprüft.
Wenig Widerstand
Im eigenen Land hat die tschechische Regierung wegen ihrer Atompolitik mit keinen großen Einwänden zu rechnen. "Ich glaube nicht, dass die Anti-Atom-Bewegung durch die Geschehnisse in Japan groß erstarken wird", sagt der Prager Politologe Jiri Pehe. Diese Bewegung ist sehr klein; Massendemonstrationen gegen Atomkraftwerke wie in Deutschland sind unwahrscheinlich.
Umfragen ergaben bisher, dass sich ein Großteil der Bevölkerung für die Atomkraft ausspricht. Die Argumentationslinie der AKW-Befürworter umreißt Pehe folgendermaßen: Tschechien besitzt Uran, den Rohstoff für die Atomkraft. Gas und Öl muss das Land hingegen importieren, auch für Wasserkraftwerke und Solarenergie fehlen die Ressourcen. Als Alternative für eine eigenständige Energiegewinnung bleibt nur die Braunkohle, die wiederum die Luft verschmutzt. Auch sämtliche Parlamentsparteien unterstützen die Atomkraft. Die einzigen Gegner, die Grünen, sitzen nicht in der Volksvertretung.
Die Temelin-Skeptiker sehen sich also mit einer recht einheitlichen Front konfrontiert. In Prag verweist man zudem gerne darauf, dass Temelin ein sehr modernes Kraftwerk sei. Umweltschutzorganisationen halten dem entgegen, dass es in der Anlage eine Vielzahl von - wenn auch geringeren - Störfällen gegeben habe.
Die Ereignisse in Japan scheinen jedenfalls vorerst auch keinen Einfluss darauf zu haben, dass der halbstaatliche Stromkonzern CEZ Temelin bis voraussichtlich 2025 um zwei weitere Blöcke erweitern will. Derzeit befinde man sich in der ersten Stufe des Ausschreibungsverfahrens, sagte CEZ-Sprecherin Eva Novakova am Montag.