Vor 15 Jahren zerfiel der 1918 gegründetegemeinsame Staat. | Prag. (apa) Als die Innenminister Tschechiens und der Slowakei, Ivan Langer und Robert Kalinak, vor Weihnachten gemeinsam den symbolischen rot-weißen Schlagbaum am tschechisch-slowakischen Grenzübergang Stary Hrozenkov eigenhändig zersägten, verhielten sie sich wie zwei alte Brüder, die sich jahrelang nicht gesehen hatten.
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Mit Freude in den Augen umarmten sie einander, um den Beitritt ihrer Länder zum Schengen-Raum zu besiegeln. "Ich bin froh, dass dieser Augenblick gekommen ist", sagte Langer. Und Kalinak fügte hinzu: "Man baut die Grenzen nur schwer ab." Beide wussten, worüber sie redeten.
Vor 15 Jahren hatte an der tschechisch-slowakischen Grenzlinie eine ganz andere Atmosphäre geherrscht. Die damalige Tschechoslowakei erlebte ihre letzten Tage und am 1. Jänner 1993 hörte der 1918 gegründete gemeinsame Staat der Tschechen und Slowaken endgültig auf zu existieren. Der von den Republik-Regierungschefs Vaclav Klaus und Vladimir Meciar gesteuerte Zerfall der tschechoslowakischen Föderation verlief zwar friedlich, nicht aber frei von einiger Nervosität. Die Nationalisten auf der slowakischen Seite riefen, man werde sich von der "tschechischen Herrschaft befreien" und endlich einen eigenen Staat haben. Und die tschechischen Nationalisten erwiderten in Anspielung auf die bis dahin existierenden Transfers innerhalb des gemeinsamen Staates, Prag werde "nicht mehr für die Slowaken zahlen".
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 entwickelte sich vor allem auf der slowakischen Seite ein sichtbares Emanzipationspotenzial, das auf der tschechischen Seite nicht immer mit Verständnis angenommen wurde. Das vielleicht bekannteste Beispiel der tschechisch-slowakischen Spannungen nach der "Samtenen Revolution" war der sogenannte "Krieg um den Strich" - ob man künftig "tschechoslowakisch" oder "tschecho-slowakisch" schreiben soll.
Viel geredet wurde auch über die Kompetenzen der föderativen Organe sowie der Institutionen der beiden Teilrepubliken. Für die Tschechen waren jedenfalls die Forderungen unannehmbar, eine selbstständige slowakische Außenpolitik zu akzeptieren, oder ein "eigenes Sternchen" auf der EU-Flagge bei gleichzeitiger Existenz der Tschechoslowakei zu haben.