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Tschechien vor Super-Wahljahr

Von Petr Senk

Politik

Prag - Die Tschechen stehen vor einem Super-Wahljahr: Nach dem Unterhaus - im Mai oder Juni - wird im Herbst auch über die neue Besetzung der Kommunalbehörden und eines Drittels des Senats entschieden. Im Jänner 2003 findet zudem die Wahl des neuen Staatspräsidenten statt.


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Tschechien hat fast vier Jahre einer sozialdemokratischen (CSSD) Minderheitsregierung hinter sich, deren Chef Milos Zeman den Wählern eine positive Bilanz vorlegt. Er habe einst versprochen, das Land aus der wirtschaftlichen Krise herauszuführen und das habe er auch eingehalten, brüstet sich Zeman in Anspielung auf den starken Zustrom von Auslandsinvestitionen in den vergangenen zwei Jahren. Ferner kann er darauf verweisen, dass das Wirtschaftswachstum für das vergangene Jahr voraussichtlich zwischen drei und vier Prozent liegen soll.

"Die Rechts-Regierungen hatten uns 1998 ein abgewirtschaftetes Land hinterlassen", behauptet Zeman. Die Arbeitslosigkeit hält sich im Vergleich zu anderen Reformstaaten in Grenzen - noch nie hat sie eine zweistellige Ziffer erreicht, derzeit liegt sie bei 8,5 Prozent.

Darüber hinaus beanspruchen die Sozialdemokraten für sich die Verdienste bei der Annäherung des Landes an die EU. Bisher hat Tschechien 24 von 30 Kapitel abgeschlossen und vieles deutet darauf hin, dass das Land an der Spitze der Regatta ins Ziel kommt und schon heuer die Beitrittsverhandlungen abschließt.

Demgegenüber dämpfen die oppositionellen Konservativen (ODS, Demokratische Bürgerpartei) des Unterhauschefs Vaclav Klaus deutlich die Erfolgseuphorie der Sozialdemokraten. "Nur dank uns ist heute die Situation nicht schlimmer als sie sein könnte", versichert die Klaus-Partei, die das CSSD-Minderheitskabinett die ganze Wahlperiode auf Grund des sogenannten Oppositionsvertrages duldete und die die Regierung gezwungen hat, auf einige ambitiöse und kostspielige Pläne - beispielsweise die flächendeckende Auszahlung des Kindergeldes - zu verzichten. Das verstärkte Wirtschaftswachstum ist nach Auffassung der ODS nicht der Verdienst der CSSD-Regierung, sondern eher der Konjunktur in der Welt und auch der deutlich angestiegenen Verschuldung des Landes.

Unterdessen formierte sich in den vergangenen Jahren auf der politischen Szene eine dritte Grupierung - die sogenannte Viererkoalition (4K), deren Stärke etwa der der beiden großen Parteien CSSD und ODS zusammen entspricht. In mehreren Umfragen liegt die 4K-Gruppierung von ursprünglich vier, jetzt aber nur mehr drei Rechts- und Mitte-Rechts-Parteien (der Name 4K ist geblieben, Anm.) sogar an der Spitze. Die 4K kritisiert im gleichen Maße sowohl die CSSD als auch die ODS und deren Tolerierungs-Pakt als "undemokratisch". In der Klaus-Partei, der "Europessimismus" vorgeworfen wird, sieht die 4K sogar eine "Gefahr" für den EU-Beitritt Tschechiens.

Von dem Wahlausgang - der völlig offen ist - wird das Ergebnis der Wahl des künftigen Staatspräsidenten abhängen, da das Staatsoberhaupt nicht direkt, sondern vom Parlament gewählt wird. Der jetzige Staatschef Havel wird nicht mehr kandidieren - er stand schon zweimal nacheinander an der Spitze des Staates.