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Tschechiens Premier bangt um sein Amt

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Mostyn

Politik

Rusnok will mit Technokraten-Kabinett bis zur Neuwahl regieren.


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Prag. Der Fürst bleibt optimistisch: Falls die Regierung von Jiri Rusnok nicht vom Parlament bestätigt wird, dann werden wir unser Kabinett vorstellen, das auch eine Mehrheit im Parlament bekommen wird", erklärte Karel Schwarzenberg am Dienstag. Mit "wir" meint Schwarzenberg die Parteien der bisherigen liberal-konservativen Regierungskoalition: Schwarzenbergs TOP 09, die Bürgerpartei (ODS) und die Minipartei Lidem. Am heutigen Mittwoch wird eine Entscheidung fallen, die Tschechien seit einem knappen Monat entgegenfiebert: Besteht die Interims-Regierung, die Präsident Milos Zeman als "Expertenkabinett" gegen der Willen des Abgeordnetenhauses ernannt hat? Oder scheitert sie an der erforderlichen Mehrheit von 101 Stimmen, die sie zu ihrer Legitimierung braucht? Trifft der erste Fall ein, wird sich Karel Schwarzenberg mit den Oppositionsbänken anfreunden müssen. Für den zweiten jedoch ist er vorbereitet: "Dann stellen wir die Regierung vor, die wir gerne hätten. Die wird in diesem Augenblick zwar noch eine Schattenregierung sein, aber sie hätte eine Mehrheit im Parlament. Wir setzen voraus, dass der Herr Präsident sich dann auf die Vorgehensweise besinnen wird, die in solch einer Situation üblich ist, und diese Regierung ernennen würde," erklärte Schwarzenberg mit einem kleinen Seitenhieb auf Zeman. Der hatte nämlich die so genannte Verfassungsgewohnheit, den Kandidaten der stärksten parlamentarischen Partei beziehungsweise Koalition zum Regierungschef zu ernennen, umgangen.

Nach dem Fall der Regierungskoalition von Petr Necas sei es vor allem wichtig, Stabilität ins politische Leben des Landes zu bringen, begründete Zeman diesen Schritt. Necas war im Juni darüber gestolpert, drei rebellischen Abgeordneten lukrative Posten im Austausch für ihre Mandate zugeschachert zu haben, was das Überleben seiner Regierung sicherte. Gefallen war er dann aber über seine Geliebte, die er als Bürochefin zu sich geholt hatte und die Necas’ (inzwischen ex-) Frau vom militärischen Geheimdienst bespitzeln ließ, um kompromittierendes Material gegen sie zu finden.

Vorwurf der Machtgier gegen Präsident Zeman

Zemans Gegner werfen ihm aber vor, weniger an Stabilität als an der eigenen Macht interessiert zu sein. Verdächtig viele Anhänger seiner Partei "Die Zemanisten" habe er ins Kabinett berufen, heißt es. So kandidierte nicht nur der designierte Ministerpräsident Rusnok - er ist ein langjähriger Vertrauter Zemans - für die Partei. Auch Innenminister Martin Pecina steht den "Zemanisten" nahe und hat schon angekündigt, bei den nächsten Wahlen für sie kandidieren zu wollen.

Kritikern entgegnet Zeman mit Vorliebe, er verfüge er über mehr Legitimität als seine Vorgänger, da er direkt vom Volk gewählt ist. "Was die Symbolik seines Amtes betrifft, so mag dies ja zutreffen", meint dazu der Politologe und Ex-Regierungsberater Roman Joch gegenüber der "Wiener Zeitung". "Von der Verfassung her hat Zeman allerdings die gleichen Machtbefugnisse wie seine Vorgänger. Doch Zeman versucht seine Machtbefugnisse zu erweitern und wartet ab, was man ihm durchgehen lässt", so Joch.

Schwarzenbergs TOP 09 stimmt gegen Regierung

Bisher sind die 42 Abgeordneten von Schwarzenbergs TOP 09 die einzigen, die geschlossen angekündigt haben, gegen die Regierung zu stimmen. Bei den anderen Parteien ist es nicht so klar. Vor allem innerhalb der tschechischen Sozialdemokratie (CSSD) vertieft sich eine Spalte, die sich durch die Partei zieht, seitdem ein Teil von ihr den einstigen Vorsitzenden Milos Zeman bei dessen erstem Anlauf um das Präsidentenamt 2003 im Stich gelassen hat. Der Parteivorsitzende Bohuslav Sobotka, er vertritt den Flügel der Modernisierer, hat sich gegen die Regierung Rusnok ausgeprochen. Als Alternative bevorzugt er vorgezogene Wahlen. Nicht nur, weil die CSSD diese laut Umfragen gewinnen würde. Sondern auch, weil sein innerparteilicher Gegner, der südmährische Kreishauptmann Michal Hasek, zu den Favoriten Zemans gehört und durch die Regierung Rusnok gestärkt werden könnte.

Auch in der ODS ist man sich uneins. Allem Optimismus von Karel Scharzenberg zum Trotz, ist es zum Beispiel nicht unbedingt im Interesse seines Koalitionspartners, erneut Regierungsverantwortung auf sich zu nehmen. Schon lange hat die ODS den Ruf als eine Partei bestechlicher "Paten". Nachdem der durch den Skandal um Petr Necas gekrönt wurde, liegt die ODS nun politisch am Boden. Dank einer Interims-Regierung könnte sie die Zeit bis zu den regulären Wahlen im Mai 2014 gut nutzen, um sich zu erholen.