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Tschechiens Premier ist ratlos

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Klausmann

Europaarchiv
Mit Neuwahlen droht Premier Petr Necas.

Konservative Regierung im Zustand der Auflösung begriffen.


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Prag. Chaos - kein anderes Wort beschreibt dieser Tage die tschechische Politik perfekter. Die Koalition ist in Aufruhr und keiner weiß, ob sie noch lange weitermachen kann. Auftakt zum allerneusten Akt der böhmisch-mährischen Tragikomödie gab Vizeministerpräsidentin Karolina Peake.

Sie erklärte am Dienstagabend überraschend ihren Austritt aus der Partei "Öffentliche Angelegenheiten" (VV), dem kleinsten Koalitionspartner von Ministerpräsident Petr Necas und seiner Bürgerpartei" (ODS). "Ich kann dem politischen Stil von Destruktion und unverständlichen Schritten nicht weiter zustimmen", begründete Peake ihren Parteiaustritt. "Schon einige Zeit betone ich die Notwendigkeit eines Neustarts, der Selbstreflexion und eines Endes der Politik der Drohungen und Ultimata. Es ist mir nicht gelungen, diese Vision durchzusetzen", erklärte Peake, die noch vor kurzem über eine Kandidatur für den Parteivorsitz der VV nachdachte. Zusammen mit der Vize-Regierungschefin verlassen weitere sechs Abgeordnete die VV. Ihre Parlamentsmandate werden sie aber nicht aufgeben, sondern eine eigene Plattform im Abgeordnetenhaus gründen. Ihnen könne sie nur "Blut, Schweiß und Tränen", anbieten, sagte Peake. "Aber auch Ehre, was in der Politik nicht wenig ist", fügte die 36-jährige Pragerin dazu.

Schmähliches Ende naht

Ratlos reagiert Premier Necas auf die neuesten Entwicklungen in seiner Regierungskoalition, die ihn während eines Staatsbesuches in Albanien und Mazedonien ereilten. Sollte die Koalition aus ODS, TOP 09 und dem Rumpf der VV bis Montag keine sichere Mehrheit haben, werde er Neuwahlen einberufen, so Necas.

Das wäre ein schmähliches Ende für eine Regierung, die mit 118 von 200 Abgeordneten über die stärkste Mehrheit in der Geschichte der Tschechischen Republik verfügte. Aber auch ein sauberes. Denn über Legitimität verfügt diese Regierung nicht mehr. Das ist allerdings weniger eine Folge der harten Sozialreformen, mit denen die Regierung einen ausgeglichenen Haushalt schaffen will, sondern das Erbe der VV.

Die Partei hatte in den Wahlen 2010 das Abgeordnetenhaus regelrecht erstürmt und kam von null auf elf Prozent bzw. 24 Mandate. Sie wollten Schluss machen mit der allgegenwärtigen Korruption. Zwei Jahre später hat sich herauskristallisiert, dass es der VV weniger um das Gemeinwohl als den eigenen Vorteil ging. Ende vergangener Woche wurde die graue Eminenz der VV, Vít Barta, wegen Bestechung eines Abgeordneten zu einer eineinhalbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der Empfänger des Bakschisch, das inzwischen ehemalige VV-Mitglied Jaroslav kárka, muss für drei Jahre in den Bau.