Protest gegen die Reformen der Regierung. | Bei Bewohnern Prags regt sich Unmut über den Streik. | Prag. Streik! Am morgigen Donnerstag stehen in Prag und weiteren Teilen Tschechiens die Räder still. Mitarbeiter des öffentlichen Transports und der tschechischen Bahnen legen für 24 Stunden die Arbeit nieder. Begleitet wird der Streik von Straßenblockaden, für die extra Bergleute aus den nordböhmischen Kohlegruben in die Hauptstadt gebracht werden, und einer morgendlichen Gewerkschaftsdemonstration vor dem Gesundheitsministerium in Prag.
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"Wir streiken auch für euch", lautet das Motto eines der größten Streiks seit des dreitägigen Bahnstreiks 1997. Im Gegensatz zu damals geht es diesmal nicht um Änderungen der Verkehrspolitik. Sondern um eine eindeutige Demonstration gegen die Regierung des bürgerlichen Premiers Petr Necas und die von seinem Kabinett geplanten Reformen. Insbesondere die Pensionsreform, die eine Eigenbeteiligung an der Pensionsversicherung vorsieht, soll helfen, den verschuldeten Staatshaushalt - rund 5000 Euro kommen auf einen Bürger - zu sanieren.
Gegen eine solche Teilprivatisierung wehren sich nun die 120.000 Gewerkschafter. Sie fordern stattdessen, den staatlichen Pensionsfonds vom Staatshaushalt zu trennen und durch Einlage des Staatseigentums aufzupolstern, das nach den Privatisierungen der 1990er Jahre noch verblieben ist. Außerdem richtet sich der Protest gegen eine Gesundheitsreform, bei der klar festgelegt werden soll, welchen Anteil die Krankenkassen und welchen der Patient selbst bezahlen soll.
Anti-Streik-Aufrufe
"Für uns streikt ihr nicht," sagen jedoch viele Prager, die allgemein etwas liberaler eingestellt sind als der Rest der Republik. Neben virtuellen Anti-Streik-Demonstrationen auf Facebook bereiten sie sich jetzt auf einen "Kundenstreik" vor, um dagegen zu protestieren, wie der Streik in ihren Alltag eingreift. Ein Aufruf, der sich über E-Mail und soziale Netzwerke wie ein Lauffeuer verbreitet, fordert dazu auf, Mittwochnacht die letzte U-Bahn zu besetzen: "Wir fahren bis zur Endstation und werden da einfach nicht aussteigen, Wasser und Verpflegung mitnehmen!", heißt es in der Ankündigung.
Ursprünglich war der Streik für den Pfingstmontag, der in Tschechien kein Feiertag ist, angesetzt. Doch in vorletzter Minute, am Samstag, wurde der Montagsstreik von einem Gericht untersagt, weil er nicht fristgemäß drei Arbeitstage im Voraus angekündigt wurde.
Das Gerichtsurteil wurde von Verfassungsrechtlern heftig kritisiert, weil es sich nicht um einen Tarifstreik handle, sondern um einen Streik gegen die Regierung. Deshalb unterliege der Streik nicht dem Tarifrecht, sondern der Verfassung, die keine Fristen stellt.