EU-Ratspräsidentschaft als möglicher Rettungsanker. | Skandal um Medien-Einflussnahme. | Prag. Dünn ist das Eis, auf dem sich Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolanek heute, Dienstag, bewegt. Ihm und seiner liberal-konservativen Koalitionsregierung droht das Ende: die sozialdemokratische Opposition stellt heute im Parlament die Vertrauensfrage. Diese wurde anberaumt, nachdem ein Fall versuchter politischer Einflussnahme auf die Medien bekannt wurde. Topolaneks persönlicher Spin-Doktor Marek Dalik hatte versucht die Ausstrahlung einer Fernsehdokumentation zu verhindern, die den Abgeordneten Petr Wolf der Korruption bezichtigt. Dieser war vergangenen Juni von den Sozialdemokraten zu Topolaneks ODS übergelaufen. Das insgesamt fünfte Misstrauensvotum in dieser Legislaturperiode könnte sehr wohl das Letzte sein.
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Denn die ohnehin schwache Regierung Topolanek kann sich nicht mehr auf die eigenen Reihen verlassen. Ein halbes Dutzend Rebellen innerhalb Topolaneks ODS, zwei unzufriedene Christdemokraten und zwei Grüne, die vor kurzem aus der Partei ausgeschlossen wurden - all sie könnten die Hand gegen die Regierung heben. Dem sozialdemokratischen Oppositionsführer Jiri Paroubek fehlen nur vier Stimmen, um die Regierung zu stürzen.
Retten könnte Topolanek die Wirtschaftskrise und die EU-Ratspräsidentschaft. Allein im Januar sind sowohl Tschechiens Export wie auch seine industrielle Produktion um rund 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gefallen. Das Misstrauensvotum führe dabei nur zu einer weiteren politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung des Landes, warnt der Präsident der tschechischen Wirtschaftskammer, Petr Kuzel: "Ein eventueller Fall der gegenwärtigen Regierung würde einer Lösung des ernsten Zustands der tschechischen Wirtschaft nicht helfen," sagt Kuzel. Sollte die Regierung die Vertrauensfrage nicht bestehen, würden ausländische Investoren das Land fortan als "risikoreich" und "instabil" betrachten.
Nicht nur Investoren: Immerhin steht Tschechien als Ratspräsident derzeit der Europäischen Union vor. Fiele die Regierung, so warnen politische Beobachter, müsse Tschechien mit einem erheblichen gesamteuropäischen Imageverlust rechnen.
Platzhalter-Kabinett?
Der Rechnung der Sozialdemokraten, im Falle eines Falles eine unpolitische Platzhalterregierung einzusetzen bis Schweden am 1. Juli die Ratspräsidentschaft übernimmt, wird kaum aufgehen. Ministerpräsident Topolanek hat angekündigt, Neuwahlen anzuberaumen, sollte er den heutigen Tag politisch nicht überleben. "Sollte es uns nicht gelingen eine Mehrheitsregierung mit Ausschluss der Kommunisten (die drittstärkste Parlamentsfraktion, Anm.d.Red.) zu bilden, lehnen die Bürgerdemokraten eine unpolitische Lösung in Form eines Beamtenkabinetts ab," erklärte Topolanek gestern bestimmt. Dann, so der Premier, kämen nur noch vorgezogene Wahlen in Frage. Weitere Alternativen wären allerdings eine Große Koalition, eine Regenbogenkoalition oder eine Minderheitsregierung.
Schützenhilfe erhielten die Sozialdemokraten von Präsident Vaclav Klaus. Er war zuletzt extra zum Parteitag angereist, um ihnen unter tosendem Applaus zu versichern: die jetzige Regierung sei nicht gerade seine liebste.