Zum Hauptinhalt springen

Tschechiens Roma klagen Außenministerium

Von Petr Senk

Politik

Prag - Nach Einreiseverboten für tschechische Roma durch britische Behörden hat der Roma-Aktivist Vaclav Miko Anzeige gegen das Außenministerium in Prag erstattet. Das Außenministerium habe den britischen Behörden die Kontrolle von Einreisenden bereits auf dem Prager Flughafen und damit eine "ungesetzliche Selektion" erlaubt, zitierten Rundfunkstationen in Prag am Donnerstag aus der Anzeige.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Kontrollen durch Beamte der britischen Einwanderungsbehörde auf dem Prager Flughafen waren nach einer Vereinbarung der Regierungen in Prag und London getroffen worden, um den seit einigen Jahren andauernden Zustrom von Roma nach Großbritannien noch in Tschechien zu unterbinden und dabei keinen Visumzwang einführen zu müssen. So wurde bereits der Abflug von 50 tschechischen Bürgern, zumeist Roma, nach London verhindert.

Sowohl die tschechische als auch die britische Regierung versichern, es handle sich um keine Diskriminierung von Roma, alle Einreisenden müssten sich ungeachtet der Hautfarbe der Prozedur unterziehen. Das Tschechische Fernsehen (CT) strahlte am Mittwochabend allerdings eine Reportage aus, die diese Behauptung in Frage stellt. Zwei CT-Journalisten - ein Rom und eine "weiße" Tschechin - versuchten als Privatpersonen aus Prag nach London abzufliegen, wobei ihre Kontakte mit den britischen Beamten auf dem Flughafen mit einer versteckten Kamera gefilmt wurden. Beide gaben bei der Kontrolle dieselben Gründe ihrer Reise an, nämlich einen Kurzbesuch eines Freundes an derselben Adresse in London. Beide wiesen auch dieselbe Menge an Bargeld vor (200 Dollar) und behaupteten, dass sie in Tschechien denselben Beruf mit demselben Einkommen hätten.

Das Ergebnis war, dass die Frau ohne Probleme abreisen konnte, während der Mann in Prag bleiben musste, obwohl er am kommenden Tag noch einen Versuch zur Ausreise unternommen hatte. "Das Verhör von mir war viel gründlicher und länger", erklärte der Journalist Richard Samko. Nach 25 Minuten hätten ihm die britischen Beamten mitgeteilt, dass sie keine ausreichenden Beweise dafür hätten, dass er Großbritannien nur als Tourist besuchen wolle. Beim zweiten Versuch einer Ausreise hätten ihn die Beamten erkannt und nur gefragt, ob er bezüglich seiner Reise etwas Neues mitteilen könne. Nach der verneinenden Antwort wurde ihm der Abflug erneut verboten. Auf die Frage des Mannes, ob er überhaupt eine Chance habe, seinen Freund in London zu besuchen, hätten ihm die britischen Beamten geantwortet: "Nein".

Am Mittwoch hatte sich die tschechische Regierung mit der Kritik an dieser Praxis befasst und bestätigt, dass man weiter so vorgehen werde. "Bisher haben wir keinen einzigen Fall von Diskriminierung festgestellt", erklärte Vizepremier Pavel Rychetsky in einer Pressekonferenz, die nur einige Stunden vor der Ausstrahlung der CT-Reportage stattgefunden hatte. Allen Personen würden auf dem Flughafen dieselben Fragen gestellt, ungeachtet der Hauptfarbe, versicherte Rychetsky. Eine Reaktion des Kabinetts auf die CT-Reportage war zunächst nicht bekannt.

Die Ausreisewelle von tschechischen Roma nach Großbritannien in andere westeuropäische Staaten dauert seit 1997 an, als der private tschechische Fernsehkanal "Nova" eine Reportage ausstrahlte, in der das Leben einiger tschechischer Roma-Familien, die in Großbritannien Asyl erhalten hatten, außerordentlich idyllisch geschildert wurde. Die Roma behaupten, sie fühlten sich in Tschechien bei der Arbeitssuche sowie auch in anderen Bereichen diskriminiert und Vorurteilen seitens der "weißen" Tschechen ausgesetzt. Darüber hinaus weisen sie auf häufige Attacken von Skinheads und anderen rechtsextremistischen Gruppen gegen Roma hin.

Die tschechische Regierung behauptet, die meisten Roma suchten in Großbritannien nur aus materiellen Gründen Asyl. Das hat sich auch in vielen Fällen bestätigt. Die britischen Einwanderungsbehörden schickten praktisch alle tschechischen Roma in ihre Heimat zurück. Ausgerechnet in diesen Tagen haben aber die Roma ein starkes Gegenargument bekommen: In der Vorwoche erstach ein 22-jähriger Skinhead einen 30-jährigen Rom in einer Diskothek im ostböhmischen Svitavy (Zwittau). APA