Mit Dokku Umarow verliert Putin seinen größten Widersacher.
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Grosny/Wien. Totgesagt wurde er von seinen Feinden schon oft. Zuletzt im Jänner von Wladimir Putins Tschetschenien-Verwalter Ramsan Kadyrow, der sich die "Vernichtung" seines Landsmannes seit Jahren auf seine Fahnen geschrieben hatte. Doch nun hat der Rebellenführer Dokku Umarow tatsächlich das Zeitliche gesegnet. Die Todesnachricht verbreitete die gewöhnlich gut informierte Islamisten-Website kavkazcenter.com am Dienstag unter Berufung auf Umarows engsten Kampfgefährten. Die Umstände blieben zunächst unklar.
Es wurde aber schon länger gemunkelt, dass "Abu Usman", wie der Kampfname des 49-Jährigen lautete, gesundheitlich schwer angeschlagen war. Dokku Umarow, der seit Beginn des ersten Tschetschenienkrieges 1994 fast durchgehend im Untergrund in den Bergen lebte, soll vor einiger Zeit zudem nur knapp einen Giftanschlag durch einen vom russischen Geheimdienst FSB angeheuerten Kämpferüberlebt haben.
Zuletzt war der Gründer des Kaukasus-Emirats, das mit Waffen für einen unabhängigen islamischen Staat im russischen Nordkaukasus kämpft, in Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Sotschi in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Der Familienvater hatte dazu aufgerufen, Putins Spektakel, das "auf den Gebeinen unserer Vorfahren veranstaltet wird", "mit allen Mitteln zu verhindern", und damit ein gigantisches Bollwerk an Sicherheitsmaßnahmen ausgelöst.
Für Anschläge auf russischem Boden hatte der Rebell schon vier Jahre zuvor grünes Licht gegeben. Und bekannte sich unter anderem zu dem Attentat auf die Moskauer U-Bahn 2010 und den Moskauer Flughafen Domodedowo 2011 als Antwort auf die russischen Menschenrechtsverletzungen, die in Tschetschenien und anderen Nordkaukasus-Republiken mit stiller Einwilligung der russischen Bevölkerung begangen werden. Die Anschläge rissen 77 Menschen in den Tod. "Wir werden den Krieg nach Russland tragen, damit ihr wisst, was das heißt - Krieg", hatte Umarow in einer Videobotschaft erklärt. Allein 250.000 Tschetschenen, rund ein Fünftel der Bevölkerung, wurden bislang Opfer der russischen Anstrengungen, eine Abspaltung Tschetscheniens von Moskau unter Einsatz von Folter und massiver Gewalt verhindern.
2012, nach den Moskauer Massenprotesten gegen die Wiederwahl Putins und die manipulierten Parlamentswahlen, ließ Umarow aus Solidarität mit den Demonstranten ein Anschlags-Memorandum verkünden. Der russische Vernichtungskrieg gegen die "Banditen" im Nordkaukasus ging derweil weiter.
Der 1964 im Bezirk Shatoy geboren Rebellenführer, der 2006 die Führung der international nie anerkannten unabhängigen tschetschenischen Republik übernahm, verlor selbst Angehörige. Sein Vater und zwei seiner Brüder wurden zu Tode gefoltert, weil sich Umarow geweigert hatte, sich den Russen zu ergeben. Als radikalen Islamisten hat er sich selbst nie verstanden. "Ich kam 1994 als Patriot zu diesem Krieg, ich kämpfe für die Freiheit", sagte er in einem Interview. Und: "Unter Putin ist ein würdiges Zusammenleben nicht möglich."