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Tschetschenische Rebellen im Pankisi-Tal im Visier Moskaus

Von Günther Chalupa

Politik

Moskau/Tiflis - Die Nachbarn Russland und Georgien haben den Zankapfel Pankisi-Tal neu entdeckt und ihren Streit wiederaufleben lassen. In diesem Tal in den Kaukasus-Ausläufern in der Schwarzmeer-Republik unweit der Grenze zur russischen Teilrepublik Tschetschenien leben seit Herbst 1999 mehrere tausend Flüchtlinge aus dem Krisengebiet mit Duldung der georgischen Führung in einem selbstverwalteten Lager. Da dieses Lager auch von den tschetschenischen Rebellen als logistische Basis genutzt wird, ist es Moskau ein großer Dorn im Auge.


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"Die Banden der Terroristen bleiben in Georgien", kommentierte am Mittwoch die Moskauer Zeitung "Komsomolskaja Prawda". "Wenn Georgien die Basis der tschetschenischen Rebellen nicht selbst liquidiert, dann muss es Russland eben selbst tun", lieferte das Blatt gleich eine Lösung für das Problem. Entsprechend hatte Verteidigungsminister Sergej Iwanow bereits mehrfach gedroht, dass Russland "Maßnahmen ergreifen" müsse. Ohne den Einsatz russischer Streitkräfte könne dieses Problem nicht gelöst werden.

Bereits am vergangenen Wochenende solen russische Kampfhubschrauber das Lager angegriffen haben. Doch außer einem halbherzigen Protest des georgischen Außenministeriums, noch nicht einmal in Form einer Note, hält sich das offizielle Tiflis bisher bedeckt. Schließlich wird gerade mit Mokau über einen Partnerschaftvertrag verhandelt, der den in Russland arbeitenden Georgiern eine Reihe von Vergünstigungen verschaffen soll.

"Irgendetwas Russisches ist nach Georgien geflogen", kommentierte das Blatt "Kommersant" die unbestätigten Ereignisse. Drastischer formulierte es die "Nesawissimaja Gaseta", die schon mit dem "Beginn des Krieges zwischen Georgien und Russland" titelte. Allerdings würden die Kampfhandlungen vorerst "auf dem Informationsfeld" geführt, entschärfte das Blatt die Schlagzeile.

Die konkreten Ziele des neu aufgewärmten Streits, ausgelöst durch das Einsickern einer größeren Rebellen-Einheit aus dem Pankisi-Tal nach Tschetschenien in der Vorwoche, wurden von Sergej Jastrschembski formuliert. Der für Tschetschenien zuständige Kreml-Berater forderte eine "gemeinsame Aktion russischer und georgischer Streitkräfte" gegen die Dauerbedrohung. "Wir fordern Georgien auf, mit uns gemeinsam die Rebellen zu vernichten."

Doch Georgiens Streitkräfte dürften für eine derartige Aktion gar nicht in der Lage sein, meinten Beobachter. Schließlich wurden erst vor wenigen Monaten US-Militärberater ins Land geholt, um Spezialeinheiten auszubilden. Dies brachte den russischen Politologen Wjatscheslaw Nikonow auf die Idee einer gemeinsamen russisch- amerikanischen Militäraktion zur "Säuberung" des Pankisi-Tals. "Doch die Georgier würden dies bis zum letzten Mann ablehnen."

Eine andere Lösung für den Disput schlug der russische Diplomat Alexander Bowin vor. Der frühere Botschafter Russlands in Israel forderte, einfach den Krieg in Tschetschenien zu beenden. "Dann löst sich das Problem Pankisi-Tal von selbst."