Neuwahlen in Griechenland am 20. September: Auch wenn Premierminister Tsipras knapp ein Drittel aller Syriza-Abgeordneten nicht mehr hinter sich hat, weist alles auf einen Wahlsieg für ihn und seine verbliebenen Getreuen hin.
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Athen. Die Griechen wählen ein neues Parlament: Ministerpräsident Alexis Tsipras gab am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache seinen Rücktritt bekannt. Das griechische Volk müsse entscheiden, ob es das Vorgehen seiner Regierung bei den Verhandlungen mit den Gläubigern gutheiße, sagte Tsipras. Er werde sich erneut zur Wahl stellen.
Der Premier hat zuletzt die Unterstützung von knapp einem Drittel seiner Abgeordneten verloren. Die Abtrünnigen zählen zum linken Rand der Syriza und nehmen es dem jungen Premier übel, dass er auf die massiven Sparvorgaben der Gläubiger, allen voran Deutschland, eingegangen ist.
Aufstand
44 Syriza-Abgeordnete wandten sich gegen Tsipras, damit hat er die Mehrheit im Parlament verloren. Die konservative Nea Dimokratia hat den Premier bei der Abstimmung am 14. August über die Umsetzung des von den Geldgebern geforderten Sparprogrammes zwar unterstützt, das geschah aber rein aus Gründen der staatspolitischen Räson: Man wollte den Bankrott verhindern. Nea Dimokratia, mit 76 Sitzen zweitstärkste Kraft hinter Syriza, will Tsipras lieber heute als morgen von der Macht entfernen. Auch die anderen Oppositionsparteien unterstützen den Premier nicht.
Doch große Hoffnungen, dass die Wahlen einen Wechsel an der Regierungsspitze bringen, dürfen sie sich nicht machen. Denn alle Meinungsumfragen gehen davon aus, dass Syriza den Urnengang gewinnt und sogar die absolute Mehrheit bekommt. In einer Umfrage Ende Juli haben 60 Prozent der Griechen Tsipras als beste Variante bezeichnet. Wie sich die Syriza-Spaltung auf das Wahlergebnis auswirken wird, ist noch nicht erhoben. Feststeht, dass es in Griechenland keinen Politiker gibt, der Tsipras zum gegenwärtigen Zeitpunkt gefährlich werden könnte.
Zwar hat der junge Premier dafür gesorgt, dass Hellas in der Wahrnehmung der meisten Europäer als schwarzes Schaf abgestempelt ist. Er hat nach deren Meinung dafür gesorgt, dass Griechenland Kapitalverkehrskontrollen einführen musste, was der Wirtschaft angeblich großen Schaden zufügt hat. Die letzten Zahlen zur Entwicklung Griechenlands bestätigen das freilich nicht. Tsipras gilt den Griechen als Kämpfer, er hat Kanzlerin Angela Merkel und ihrem noch weit unbeliebteren Finanzminister Wolfgang Schäuble die Stirn geboten und um eine neue Sichtweise auf die Schuldenproblematik gerungen. Dass dem Unterfangen kein Erfolg beschieden war, nimmt man Tsipras in Griechenland nicht übel. Schließlich, so meinen die meisten, ist er von den Geldgebern erpresst worden. Zahlreiche Syriza-Abgeordnete fühlten sich von ihrem Parteichef verraten, wollen nicht mehr mitziehen. Vorgezogenen Neuwahlen sind für die Getreuen um Tsipras die logische Konsequenz daraus.
Am Donnerstag führte der griechische Premier sichtlich entspannt in seinem Amtssitz Gespräche mit führenden Beratern, um die genaue Vorgangsweise bis zum Wahltermin am 20. September zu klären.
Rebellen auf Schleudersitz
Energieminister Panos Skourletis, einer der engsten Vertrauten des Premiers, signalisierte schon am Montag, dass es in drei oder vier Wochen zu Neuwahlen kommen könnte. Die absolute Mehrheit hält Skourletis für erreichbar. Und sollte Tsipras die Wahl tatsächlich souverän für sich entscheiden, könnte er sich seiner innerparteilichen Widersacher entledigen und mit einem Umbau des Landes beginnen. Dann ist fraglich, ob Athen die vereinbarten Reformen so umsetzen wird, wie die Geldgeber das wollen.
Denn die Maßnahmen - Steuererhöhungen, Rentenkürzungen, Liberalisierungen und Privatisierungen - sind für die Lösung der Schuldenkrise nicht von Bedeutung oder kontraproduktiv. Experten meinen, dass kein Weg an einem weiteren Schuldenschnitt vorbeiführe. Eine Ansicht, der sich auch der Internationale Währungsfonds anschließt. Mit großer Spannung wird jetzt abgewartet, mit welchen Programm Tsipras in den Wahlkampf geht. Auch darüber wurde gestern im Amtssitz des Premiers intensiv beraten.
Unterdessen war Athen in der Lage, fällige Schulden bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wie vorgesehen zu begleichen. Nach der ersten Sofortzahlung aus dem neuen Hilfspaket in der Höhe von 13 Milliarden hat Athen 3,4 Milliarden Euro zurückgezahlt. Zudem zahlte Athen den Angaben zufolge auch ein im vergangenen Monat gewährtes Überbrückungsdarlehen von 7,16 Milliarden Euro zurück. Hätte Griechenland die Zahlung an die EZB nicht leisten können, wäre der Zentralbank voraussichtlich nichts anderes übrig geblieben, als dem Land den Geldhahn zuzudrehen. Dies hätte den Zusammenbruch der Wirtschaft zur Folge haben können.
Die EZB hat die griechischen Banken zuletzt durch regelmäßige Unterstützung am Leben gehalten. Jetzt macht sich in Frankfurt Optimismus breit. Man ist zur Auffassung gelangt, dass die griechischen Geldhäuser die aktuelle Krise überwinden würden. "Ich bin optimistisch, dass sich die Banken erholen werden, da sie das schon einmal getan haben, so Daniele Nouy, oberste EZB-Aufseherin.