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Tsipras' Erfolg

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Außerhalb Griechenlands haben wohl die neuen Bilder von Flüchtlingen in Seenot Europa stärker beschäftigt als die Parlamentswahl. Der alte und wohl auch neue Regierungschef Alexis Tsipras wird bereits am Mittwoch in Brüssel diese Flüchtlingsfrage zu besprechen haben. Es geht um die Schaffung von "hot spots" in Italien – und eben auch in Griechenland. Das sind große Auffanglager, in denen die übers Meer kommenden Schutzsuchenden menschenwürdig untergebracht – und anschließend auf EU-Länder verteilt werden sollen. Derzeit ist die Situation auf griechischen Inseln eine Katastrophe, die Verwaltung des Landes dabei so gut wie inexistent.

Und daneben muss natürlich das mit der EU vereinbarte "Sanierungspaket" umgesetzt werden. Das beinhaltet neben den Einsparungen übrigens auch den Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen.

Aus mitteleuropäischer Sicht würde daher – in solchen Krisenzeiten – eine Große Koalition Sinn machen. Die Konservative Partei hat dazugewonnen, der Rückstand ist aber deutlich größer als die Umfragen zuletzt erwarten ließen.

Tsipras hat eine Koalition mit den Konservativen ausgeschlossen. Sein bisheriger Partner, die rechtspopulistische Anel musste dagegen Stimmen abgeben. Als Partner stehen die ehemals stolzen Sozialdemokraten von Pasok und die linksliberale "To Potami" zur Verfügung. Mit diesen beiden hätte Tsipras im Parlament eine bequeme Mehrheit, da die stimmenstärkste Partei einen "Bonus" von 50 Abgeordneten erhält. Schwer abgestraft wurde die Syriza-Abspaltung.
Insgesamt stimmten die Griechen für Stabilität, die politischen Spielchen sollen ein Ende haben. Genau das war auch die Absicht von Alexis Tsipras, als er die Neuwahlen ausrief – und sein Kalkül ist aufgegangen. Syriza ist die neue linke Volkspartei in Griechenland, und hat Pasok auf Dauer ersetzt. Die Konservativen schafften es auch mit neuem Spitzenkandidaten nicht – das Misstrauen in die alten Eliten sitzt offenkundig tief in der krisengebeutelten Bevölkerung.

Alexis Tsipras wird jedenfalls gestärkt am Mittwoch nach Brüssel reisen. In den kommenden Jahren wird er allerdings die Mühen der Ebene kennen lernen. Denn seine kommende Regierung wird eine herkulische Aufgabe bewältigen müssen: Einen funktionierenden Staat aufzubauen, die Wirtschaft aufzubauen – und mit dem Flüchtlingsstrom menschenwürdig umzugehen.

Die rechtsradikale Partei "Goldene Morgenröte" schafft es, mit 7,3 Prozent knapp, aber doch drittstärkste Kraft im Athener Parlament zu werden. Sie wird damit aber keine Rolle spielen.