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Tsipras im Wolkenkuckucksheim

Von Walter Kühner (Bürgerjournalist)

Gastkommentare

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Griechenland verhandelt laut der griechischen Zeitung "Kathimeriní" mit Russland über den Ankauf von Raketen für das bestehende S-300-Raketenabwehrsystem russischer Provenienz. Es handle sich um die Wartung des Systems sowie um den Ankauf neuer Lenkwaffen.

So sehen also die griechisch-russischen Joint Ventures aus: "Tausche Obst gegen Raketen".

Aber keine Sorge, die griechische Regierung ist keineswegs einseitig. Bereits im März unterschrieb Aléxis Tsípras einen Bestellauftrag über 500 Millionen EUR zum Kauf von Flugzeugen der US-Firma Lockheed Martin für NATO-Überwachungsmissionen. Da die vorhandene 35 Jahre alte Flotte aus Altersgründen auf dem Boden bleiben muss, hat die NATO die Türkei mit Überwachungsflügen beauftragt.

"Wir beschränken uns auf die Erneuerung", versicherte Verteidigungsminister Kamménos von der Partei ANEL (Unabhängige Griechen). Wie beruhigend!
Anstatt endlich das überdimensionierte Militärarsenal zu reduzieren, wird hurtig erneuert. Geld hat Griechenland zwar keines, aber das hat ja schon in der Vergangenheit kein Hindernis dargestellt.

Ein stolzes Volk braucht eben ein stolzes Waffenarsenal, um sich stolz präsentieren zu können.

Wie aktuell wirkt doch die Komödie Die Vögel von Aristophanes. Einer der Protagonisten hat Athen verlassen, um seinen Gläubigern zu entkommen. Geld wird als Mist angesehen und weggeworfen, um nicht darin zu ersticken. Und dann machen sie sich daran, ein Wolkenkuckucksheim zu errichten ...

Semantisches Geplänkel statt Strukturreformen
Stolz scheint überhaupt der entscheidende Faktor für den SYRIZA-Wahlsieg gewesen zu sein. Nach der Umbenennung der Troika und Einschränkung der Kooperation mit ihr, hat die neue Regierung auch die Kooperation mit der EU-Arbeitsgruppe (Task-Force) aufgekündigt, welche zur Unterstützung Griechenlands bei den Strukturreformen und Planung von EU-förderungswürdigen Projekten ins Leben gerufen wurde. "Muss sie unbedingt Task-Force heißen?", erklang die Wehklage aus Athen. Laut Berichten will Jean-Claude Juncker die Arbeitsgruppe durch eine neue Institution ersetzen, die bei Bedarf auch in anderen EU-Staaten tätig werden kann.

Laut dem Vorsitzenden des griechischen Kapitalmarkt-Ausschusses geht Griechenland Anfang Mai das Geld aus. Griechische Logik scheint aber andersherum zu funktionieren: Vor der endgültigen Zahlungsunfähigkeit muss noch soviel wie möglich bestellt werden, denn Zahltag wird es keinen geben. Falscher Stolz und Hybris liegen eben nahe beieinander.

Bei allem Verständnis für die Lage Griechenlands und die Misere für die Bevölkerung bleibt die resignierende Feststellung:
In Griechenland musste sich anscheinend alles verändern, damit alles so bleibt, wie es war.

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