Abgeordnete stimmen über Resolution zu Freihandelsabkommen EU-USA ab.
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Brüssel. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA steht morgen, Mittwoch, auf dem Programm des Europäischen Parlaments, das über eine entsprechende Resolution abstimmen wird. Der maßgebliche Handelsausschuss hat bereits vor knapp zwei Wochen sein OK gegeben. Damit sind allerdings nicht alle glücklich, zumal viele sozialdemokratische Abgeordnete. Das, obwohl die Resolution auf einen Kompromiss zwischen der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialdemokraten (S&D) zurückgeht.
Einige Punkte sind nach wie vor umstritten, darunter die Klausel zum Investitionsschutz. Sie soll es Investoren ermöglichen, die USA beziehungsweise die einzelnen EU-Mitgliedsländer zu klagen, wenn sie sich unfair behandelt fühlen oder beispielsweise ihnen versprochene Profite durch ein neues Gesetz geschmälert werden. In jenen Fällen, in denen diese sogenannten ISDS-Klauseln bereits vereinbart sind (beispielsweise zwischen Deutschland und Pakistan), werden die Streitigkeiten an der staatlichen Gerichtsbarkeit vorbei vor Privatgerichten in London, Paris oder New York ausgetragen.
Üblicherweise sollte sich nach der Resolution im Ausschuss nicht mehr viel bei der Abstimmung im Parlament ändern. Dennoch liegt ein wenig Unsicherheit in der Luft. Es wurden bereits zahlreiche Änderungsanträge eingebracht und viele Abgeordnete haben ihren Unmut über den vorliegenden Text geäußert.
Der Handelssprecher der Sozialdemokraten, der Brite David Martin, versprach: "Die S&D wird keinerlei private Gerichtsbarkeit akzeptieren." Nun ist es zwar so, dass in der Resolution des Handelsausschusses auf lange Sicht die Schaffung eines eigenen Handelsgerichtshofes gefordert wird, der mit professionellen Richtern bestückt werden soll und künftig die Streitigkeiten zwischen Staat und ausländischen Investoren schlichten soll. Doch wer bis zur Etablierung dieses Gerichts (ein Zeitlimit dafür ist nicht angegeben) zuständig ist, ist nicht klar geregelt. Es heißt lediglich, dass in dieser Zeit ein öffentliches Investitionsgericht dafür zuständig sein könnte - die Betonung liegt auf könnte.
Der Punkt ISDS ist auch deshalb so sensibel, weil er im bereits ausgehandelten und aufgesetzten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) verankert ist. Dagegen gibt es ebenfalls Widerstand. Sollte aber die ISDS-Klausel in TTIP fallen, so würde der Druck steigen, sie aus Ceta zu nehmen, was zur Neuverhandlung des Abkommens führen könnte, das eigentlich schon unter Dach und Fach ist.
Doch Investitionsschutz ist nicht der einzige folgenreiche Punkt. So erfolgt die Liberalisierung bei TTIP - so wie bei Ceta - über eine sogenannte Negativliste. Das heißt, alles, was nicht explizit in dem Abkommen ausgenommen ist, wird liberalisiert. Rückgängig kann eine einmal erfolgte Liberalisierung nicht mehr gemacht werden. Dafür sorgt die sogenannte Ratchet- oder Lock-in-Klausel, die ebenfalls in beiden Verträgen vorgesehen ist. Diese Negativliste nährt wiederum die Sorgen von Kritikern bei einem anderen Punkt: der Bildung. Die ist zwar laut EU-Kommission von dem Freihandelsabkommen ausgenommen, in der Negativliste scheint sie derzeit angeblich aber nicht auf.
Weiterer Kritikpunkt: die Einführung eines Gremiums, das geplante Gesetze oder Regulierungen auf ihre handelshemmende Wirkung überprüfen soll.
Die EU-Kommission ist bei ihren Verhandlungen zwar nicht an die Abstimmung im Europäischen Parlament gebunden, allerdings muss dieses in jedem Fall der Endversion des Abkommens zustimmen. Geht diese gegen die Vorstellungen der Mehrheit der Abgeordneten, würden sie es in der finalen Abstimmung zu Fall bringen.
Fast zwei Millionen EU-Bürger haben inzwischen die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP unterzeichnet. Die Kommission anerkennt dieses Volksbegehren jedoch nicht. Das Verhandlungsmandat sei kein Rechtsakt und daher durch eine Bürgerinitiative nicht anfechtbar, so die Argumentation.