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TTIP und die kleinen Betriebe

Von Alexander U. Mathé

Politik

US-Handelsrepräsentantin Christina Sevilla ist in Sachen Freihandelsabkommen in Österreich.


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Wolkersdorf/Washington. "Sie wissen hoffentlich vom Freihandelsabkommen mit den USA und wie wichtig das ist?" Euphorisch schreitet Veit Schmid-Schmidsfelden an seiner Belegschaft vorbei. Die reagiert auf die Frage mit großen Augen und zögerlichem Nicken. Der Chef der Fertinger GmbH ist aufgeregt, denn er hat hohen Besuch aus den USA in seiner Metallverarbeitungsfirma in Wolkersdorf: Christina Sevilla. Sie ist Expertin für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) bei USTrade, also jener Behörde, die für die internationale Handelspolitik der USA zuständig ist. Sevilla tourt durch Europa und erklärt die Vorteile des EU-US-Freihandelsabkommens TTIP, während sie sich ein Bild der Situation in den einzelnen Ländern macht. KMU standen auch im Zentrum der sechsten Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen diese Woche in Brüssel.

Sevilla und Schmid-Schmidsfelden sind sich schnell einig: TTIP ist nicht nur vorteilhaft, sondern auch absolut notwendig. "TTIP reduziert Kosten, indem es Grenzzölle eliminiert", erklärt Sevilla und führt weitere Vorzüge an: Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums, Transparenz für Exporteure bei Gesetzen und Regulierungen, Kompatibilität der einzelnen Regulierungsvorschriften. Alles Punkte, von denen Schmid-Schmidsfelden persönlich betroffen ist, der bereits jetzt in die USA exportiert und plant, ein Werk in Alabama zu eröffnen.

"Wir zahlen 3,5 Prozent Zoll, wenn wir in die USA exportieren", beklagt das Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung Niederösterreich. Das fresse die Gewinnmarge auf. Doch nicht nur der Zoll macht zu schaffen. Die meisten Kunden der Firma Fertinger, zu denen unter anderem General Motors, Ford, Mercedes und Volkswagen gehören, lassen sich nur mit einer US-Produktionsgarantie auf eine Kooperation ein. Alle gelieferten Teile sollen also auch auf dem US-Markt verwendbar sein, was aber aufgrund der unterschiedlichen Regulierungsvorschriften zu Problemen führen kann. Auch der Zeitverlust ist für die Firma Fertinger ein Problem, denn die Ware sitzt manchmal zwei Wochen beim Zoll fest und in der Wirtschaft ist Zeit Geld. Durch TTIP sollen all diese Probleme gelöst werden. Sevilla streicht die "Win-win-Situation" heraus: "Die Jobs österreichischer Arbeiter werden durch den Handel mit den USA gestützt, amerikanische Arbeiter wiederum werden von Fertinger in Alabama eingestellt werden. Das wird helfen, das Geschäft zu vergrößern."

Kleine fühlen sich benachteiligt

In Europa sehen KMU-Vertreter den aktuellen Stand von TTIP nicht nur positiv. Sorgen bereitet da etwa die geplante ISDS-Klausel, die es Investoren ermöglichen soll, Staaten an ordentlichen Gerichten vorbei zu klagen, wenn sie durch eine Entscheidung ihre Profite oder Investition gefährdet sehen. Der Energiekonzern Vattenfall hat aufgrund so einer Klausel beispielsweise Deutschland wegen seines Atomausstiegs geklagt. "Der Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus (ISDS-Mechanismus) ist in dem geplanten TTIP-Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA überflüssig und strikt abzulehnen", heißt es etwa vom deutschen Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. "Aufgrund der hohen durchschnittlichen Verfahrenskosten (die OECD geht von 8 Millionen Dollar pro Verfahren aus), können mittelständische Unternehmen den ISDS-Mechanismus in der Praxis nicht nutzen. Der ISDS-Mechanismus begünstigt Großkonzerne, die so (...) die staatliche Gerichtsbarkeit umgehen können."

Arbeitnehmervertreter wiederum befürchten, dass die niedrigeren arbeitsrechtlichen Standards der USA in Europa Einzug halten. Von den anderen Sorgen gar nicht zu reden, die bei einem Gespräch Sevillas mit Abgeordneten im österreichischen Parlament offenbar werden: Wasserprivatisierung, Zulassung von Gentechnik in Lebensmitteln, Wahrung von Konsumentensicherheits-, Sozial- und Umweltstandards und die Transparenz des Verhandlungsprozesses. Sevilla versucht zu beruhigen, streicht noch einmal die Vorzüge für KMU heraus und erklärt, dass Standards nicht gesenkt würden. Ob die Abgeordneten überzeugt sind? Schmid-Schmidsfelden ist es jedenfalls und feuert Sevilla an: "Ich wünsche Ihnen Erfolg. Wir brauchen TTIP."