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TTIP: Wohlstandsgenerator oder Teufelswerk?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel, bei dem der eine verliert, was der andere gewinnt.


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Es gibt wenige Themen, bei denen Ökonomen weitgehend einig sind. Eines davon sind die nachweislich positiven Auswirkungen des Abbaus von Handels- und Investitionshemmnissen zwischen Staaten beziehungsweise Regionen; jedenfalls solange es sich um souveräne Partner auf Augenhöhe handelt. Darum geht es auch bei TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), das zwischen der EU und den USA verhandelt wird. Die wirtschaftliche Erfolgsstory Europas seit 1945 ist eine Geschichte der Liberalisierung von Handels- und Investitionsströmen innerhalb Europas und gegenüber dem Rest der Welt.

Die positiven Effekte von Abkommen wie TTIP basieren auf verstärktem Wettbewerb. Dadurch werden hochwertigere und preisgünstigere Produkte und Dienstleistungen für Konsumenten und Geschäftskunden angeboten. Als abschreckendes Beispiel für mangelnden Wettbewerb sei an das wahrhaft konkurrenzlose ostdeutsche Auto "Trabi" erinnert. Die Beseitigung von Beschränkungen für ausländische Investitionen fördert Wachstum und Beschäftigung und führt zu einem Transfer von Technologien und Management-Know-how.

Für Europa bedeutet TTIP einen leichter zugänglichen Markt von 300 Millionen Menschen, für die USA von 500 Millionen. Zollsenkungen stehen nicht im Vordergrund (ja, es gibt noch Zölle zwischen den USA und der EU!), sondern der Abbau sonstiger Beschränkungen, die sich aus unterschiedlichen technischen Normen und Vorschriften ergeben, der gleichberechtigte Zugang ausländischer Anbieter zu öffentlichen Aufträgen, die Niederlassungsfreiheit für ausländische Unternehmen und ihre Gleichbehandlung mit inländischen, die Möglichkeit, sich an inländischen Unternehmen zu beteiligen, und vieles mehr.

Entscheidend ist dabei: Beide Seiten profitieren davon, denn Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel, bei dem der eine verliert, was der andere gewinnt. Und Freihandels- und Investitionsverträge kommen auch kleineren Unternehmen als Zulieferer oder erfolgreiche Nischenplayer zugute. Im Vergleich zu diesen Chancen sind die europäischen Sorgen wegen US-Chlorhühner (Achtung: Auch das Wiener Hochquellwasser wird gechlort!) und die amerikanischen Bedenken gegen französischen Frischmilchkäse eine Cura posterior.

Und zu den umstrittenen Schiedsgerichten: Ein Unternehmen, das im Ausland investiert, muss sich gegen Diskriminierung, Zerstörung der Geschäftsgrundlagen oder Enteignung absichern. Etwaige Streitigkeiten werden üblicherweise einem einvernehmlich bestellten Schiedsgericht übertragen. Das kommt billiger und lässt eine raschere und objektivere Entscheidung als vor einem nationalen Gericht eines der beiden Partner erwarten. Übrigens hat Österreich bisher mehr als 60 bilaterale Investitionsschutzabkommen mit Schiedsgerichtsklauseln abgeschlossen.

Last but not least: Partnerschaftsabkommen werden in Zukunft eine strategische Rolle in der globalen Governance spielen, ob es sich nun um ein eurasisches, ein transpazifisches, ein südostasiatisches oder ein transatlantisches Abkommen handelt. Die EU kann es sich nicht leisten, in einer selbstgefälligen Isolation zu verharren.