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Tu misera Austria

Von Franz Witzeling

Gastkommentare
Franz Witzeling ist Psychologe und Soziologe.

Wir werden noch lange brauchen, um der österreichischen Sportseele den amerikanischen und internationalen Pioniergeist beizubringen.


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Es ist schon eine Form von Tragödie mit Tradition, wenn Österreich in internationalen Großbewerben keinen Blumentopf gewinnt. Sich bei Paraden und Bällen die Orden als Kompensation anzustecken und von besseren Zeiten zu träumen, tröstet vielleicht darüber hinweg. Was ist los mit unseren Sportlern, dass ihnen die mentale Stärke fehlt, um im entscheidenden Moment die Sekunden zum Sieg zu gewinnen?

Es scheint eine österreichische Eigenart zu sein, immer etwas zu spät zu kommen, um zu erkennen, dass Entwicklungen, die uns in die internationale und europäische Zukunft bringen, verschlafen wurden. Es gibt nur wenige Österreicher, die das "Loser-Gen" in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft unter ausländischen Rahmenbedingungen ablegen können.

Einen Erklärungsansatz für diesen österreichischen Minderwertigkeitskomplex lieferte unser Enfant terrible im Schwimmbecken, Markus R., der die Wirkung des Faktors Intelligenz für Sieg und Niederlage definierte. Analysierte man seine verlorenen Olympia-Chancen, stellte man fest, dass er, neben dem Faktum des Ausscheidens vor dem Endlauf als Chuzpe sozusagen, die Disqualifikation als Ausrede nutzte, den Sieg nicht nach Hause gebracht zu haben. Wer ihm da die Intelligenz absprechen möchte, dem kann man nur den nächstgelegenen Psychiater empfehlen. Wie schon Sigmund Freud, nicht von ungefähr in Wien, die Psychoanalyse entwickelte, scheint es hierzulande Tradition zu sein, die Geradlinigkeit der Erkenntnis schlicht und einfach verloren zu haben, weil man zum Verdrängen zu schwach war. Wie es in anderen Ländern im Sport und anderswo selbstverständlich ist, den Status quo des eigenen Defizites als Grundlage für eine Leistungssteigerung zu nehmen, wird in Österreich entweder nach Feindbildern gesucht oder im Schmäh und Schmalz des eigenen Selbstmitleides (z)ergangen.

Wie man aus der Entwicklungspsychologie weiß, braucht jeder Mensch Anerkennung. Diese kann man sich durch einen Sieg in einem sportlichen Wettbewerb holen. Was man sich jedoch neben den Frustrationen weniger Siege (die Ausnahme ist phasenweise der Wintersport) bewusst machen sollte, ist, dass in Österreich ein Allgemeinklima des "Raunzertums" vorherrscht, gepaart mit den Aspekten einer kultivierten Neidgesellschaft, wo nicht Leistung, sondern Minderleistung und Understatement als Kriterium der Zugehörigkeit definiert werden.

Wir werden noch lange brauchen, um der österreichischen Seele den amerikanischen und internationalen Pioniergeist beizubringen. Die Auswirkungen auf den Sport und das damit verbundene Erreichen des internationalen Leistungsniveaus gelten auch für Österreichs Wirtschaft, die gerade mit dem Sport als Business eng verbunden ist.

Wie man einen Sieg feiert oder eine Niederlage beklagt, ist nicht nur eine journalistische Stilfrage, sondern vielmehr der Ausdruck einer historischen Kultur, die noch immer im kaiserlichen Leitspruch "Tu felix Austria nube!" kulminiert, der auch die Lösung für eine Weiterentwicklung der österreichischen Mentalität in Richtung authentisches Selbstbewusstsein in sich birgt.