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Tunesien: Erstmals seit 1956 Präsidentenwahlen mit mehreren Kandidaten

Von Claudia Altmann Tunis

Politik

· Erstmals seit der Unabhängigkeit 1956 bewerben sich am kommenden Sonntag in Tunesien drei Kandidaten um das Amt des Präsidenten. Neben dem Amtsinhaber Zine El Abidine Ben Ali stellen | sich die Chefs zweier eher unbedeutender Oppositionsparteien, Abderrahmane Tlili und Mohamed Belhaj, dem Wählerwillen. Ihre Zulassung zur Präsidentenwahl hatte das Parlament im Juni ermöglicht.


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Auf Weisung des Präsidenten verabschiedete es einen Zusatz zur Verfassung, der die bisher nötige Unterstützung von mindestens 30 Abgeordneten für einen Kandidaten abschaffte. Dies war bis dahin

eine unüberwindbare Barriere, da alle Oppositionsparteien zusammen nur über 19 Parlamentssitze verfügen. Eine weitere vom Parlament gestellte Bedingung erfüllen jedoch lediglich Tlili als Chef der

Demokratischen Gewerkschaftsvereinigung (UDU), und Belhaj als Vorsitzender der Volkseinheit (PUP): Potenzielle Kandidaten müssen fünf Jahre ohne Unterbrechung Parteichef sein und mindestens einen

Abgeordneten im Parlament haben.

Es bestehen aber keine Zweifel an der Wiederwahl des 1987 an die Macht gekommenen Ben Ali, denn er wird von der allmächtigen Regierungspartei Demokratische Verfassungspartei (RCD) und von der

Gesamtheit der legalen Gewerkschaftsorganisationen unterstützt. Bei den letzten Wahlen 1994 siegte Ben Ali, als einziger Kandidat, mit 99,1 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei den Parlamentswahlen

ebenfalls am Sonntag bekommen die sechs legalen Oppositionsparteien unabhängig vom Wahlergebnis auf Wunsch des Präsidenten mindestens 34 der 182 Parlamentssitze zugesprochen. Aber auch hier steht der

Sieg der RCD im Voraus fest, denn mit ihren über eine Million Mitgliedern bei neun Millionen Einwohnern kontrolliert sie das Land bis in das kleinste Dorf.

Ben Ali war 1987 durch einen unblutigen Staatsstreich an die Macht gekommen, an dessen Vorbereitung auch der italienische Geheimdienst beteiligt gewesen sein soll. Das sagte der damalige

Geheimdienstchef Fulvio Martini kürzlich vor einem italienischen Parlamentsausschuss. Nach der Ablösung des damals 80-jährigen Präsidenten Habib Bourghiba führte Ben Ali Tunesien auf den Weg der

Modernität und veranlasste wirtschaftliche und soziale Reformen. Heute bietet Tunesien seinen Einwohnern den höchsten Lebensstandard aller Länder Nordafrikas.

Die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung und die politische Stabilität, in deren Folge Tunesien Investoren und Touristen aus aller Welt anzog, gingen einher mit einer restriktiven Innenpolitik. Unter

dem Vorwand, der Ende der 80-iger Jahre aufkommenden Bewegung militanter Islamisten Einhalt bieten zu müssen, wurde jede Kritik am Regime im Keim erstickt. Menschenrechtsorganisationen werfen Ben Ali

vor, Presse- und Meinungsfreiheit zu unterdrücken und Tausende Oppositionelle aller politischen Richtungen ins Gefängnis geworfen zu haben.

Die Zulassung von zwei weiteren Anwärtern auf den Präsidentenstuhl und die damit verbundene Anerkennung einer Opposition gelten unter Beobachtern als Zugeständnis Ben Alis an veränderte politische

Rahmenbedingungen in Nordafrika. Der Trend zur Demokratisierung in den Nachbarländern Algerien nach der Wahl von Abdelaziz Bouteflika zum Präsidenten sowie Marokko nach der Thronbesteigung von

Mohamed VI. bringen Ben Ali in Zugzwang. Hinter seiner Politik könnte die Überlegung stehen, dass es nicht mehr ausreicht, nur Bollwerk gegen fanatische Islamisten zu sein, um sich das Wohlwollen der

Politiker Europas und Amerikas zu sichern.