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Tunesiens Mühen der Ebene

Von Klaus Huhold

Politik

Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung verschoben. | Islamisten bilden starke Einheit. | Tunis. Nach der Revolution kommt die Alltagsarbeit, die sich oft als zäh erweist. Tunesien ist nach dem Sturz von Ex-Diktator Zine El Abidine Ben Ali intensiv mit der Bildung neuer Institutionen beschäftigt, die für eine stabile Demokratie sorgen sollen.


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Doch hier tun sich Komplikationen auf: So hat die Übergangsregierung nun die Wahl für die verfassungsgebende Versammlung, die im Juli stattfinden hätte sollen, auf 23. Oktober verschoben. Hunderttausende Leute müssen noch in die Wählerverzeichnisse eingetragen, tausende Wahlhelfer ausgebildet werden. Die Zeit bis Oktober sei nötig, um eine glaubhafte Abstimmung zu organisieren, sagte Übergangspremier Beji Caid Essebsi.

Über den Wahltermin wurde heftig diskutiert: Viele kleinere Parteien waren für eine Verschiebung. Sie müssen sich noch besser organisieren, um kräftig mobilisieren zu können. Größere Bewegungen wie die islamistische An-Nahda-Partei, deren Apparat schon gut ausgebildet ist, haben sich von der Beibehaltung des ursprünglichen Wahltermins einen Vorteil erhofft.

Denn es geht um viel: Die verfassungsgebende Versammlung wird eine neue Konstitution erarbeiten und dabei so entscheidende Fragen wie das Verhältnis zwischen Staat und Religion klären. Bereits mehr als 90 Listen - die übrigens alle eine Frauenquote von 50 Prozent aufweisen müssen - haben sich beworben.

Als stärkste Einheit treten bisher die Islamisten auf. Deren Führer Rachid al-Ghannouchi gilt als einer der moderatesten Islamisten im arabischen Raum. Er hat betont, dass er keinen islamistischen Staat, sondern eine Demokratie mitgestalten will. Manche Beobachter haben aber Zweifel, ob es sich dabei nicht nur um Rhetorik handelt. Diese Bedenken werden von Berichten genährt, wonach die Islamisten aus dem fundamentalistischen Saudi-Arabien viel Geld erhalten sollen.

Starke Konkurrenz

Allerdings dürfte den Islamisten mit der Zeit stärkere Konkurrenz erwachsen. Viele der derzeit versprengten Listen werden sich wohl noch zu größeren Blöcken zusammenfinden, prognostiziert Klaus D. Loetzer von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis. Eine Bewegung ist allerdings endgültig aus dem Rennen. Die frühere Einheitspartei RCD von Ben Ali wurde offiziell aufgelöst.

Doch viele ihrer Leute sollen noch für Unruhe sorgen. Darauf weisen gewaltsame Proteste gegen die Übergangsregierung in Tunis hin. Bei vielen Demonstranten wurden größere Geldmengen gefunden. Besonders hohe Summen hatten übrigens diejenigen bei sich, die Steine auf Polizisten geworfen hatten. Viele Tunesier sind ob derartiger Berichte überzeugt, dass hier alte Kader ihre Hände im Spiel hatten, die den Übergang zur Demokratie diskreditieren wollen.

Auf der anderen Seite des Spektrums bleibt aber auch die Demokratiebewegung wachsam. Sie protestierte in den vergangenen Monatenebenfalls, wenn sie die Errungenschaften der Revolution gefährdet sah. So stürzten Straßenproteste Mohammed Ghannouchi, den Vorgänger von Übergangspremier Essebsi. Ghannouchihatte dem Regime von Ex-Diktator Ben Ali in verschiedenen hohen Funktionen gedient.

Dossier: Umbruch in der arabischen Welt