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Tung, rasanter Chinese

Von Alexander U. Mathé

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Das Reich der Mitte hat seit dem Jahr 2004 einen Grand Prix - jetzt macht es sich daran, auch ein Formel-1-Cockpit zu erobern.


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Mit dem letzten Formel 1 Grand Prix in Shanghai ist in China das Rennfieber wieder gestiegen. Seit dem Jahr 2004 ist die Volksrepublik nun schon eine Station im Motorsportzirkus. Doch etwas fehlt den Chinesen noch zur vollkommenen Begeisterung: ein eigener Rennfahrer, ein Vertreter ihres Landes, mit dem sie mitfiebern und den sie anfeuern. Diesen Platz könnte schon bald Ho-Pin Tung einnehmen.

Derzeit ist der 28-Jährige noch Testfahrer und Ersatzpilot beim Rennstall von Lotus Renault GP. Er gilt aber als ausreichend gut, um in die erste Reihe vortreten zu können. "Meine Erfahrung, meine Geschwindigkeit und meine Kenntnis des Autos haben in den letzten Jahren zugenommen", sagt Tung optimistisch. Auch auf offizieller Seite kann man es kaum erwarten, China aktiv in die Formel 1 einzubinden. Der Vizepräsident des chinesischen Autosport-Verbands, Guojun Zhan, hat bereits Interesse gezeigt.

Eigentlich ist es nur eine Frage des Geldes, ob und wann China in einem F1-Grand-Prix vertreten sein wird. Denn grundsätzlich ist es ein offenes Geheimnis, dass ein Platz in einem F1-Cockpit kein Problem ist, solange das nötige Kleingeld vorhanden ist. In diese Richtung gehen offenbar auch Zhans Überlegungen. "Alles wird davon abhängen, ob sich eine chinesische Firma findet, die ein eigenes Team ins Rennen schickt und einem Chinesen einen Fahrersitz offeriert." Er wisse bereits von vielen Firmen, die gerade überlegen, sich stärker an der Formel 1 zu beteiligen.

Dafür hat nicht zuletzt der Grand Prix in Shanghai gesorgt, der dem Sport mehr Aufmerksamkeit im Reich der Mitte verschafft hat. Derzeit sind chinesische Firmen wie Lenovo aber nur als Sponsoren in der Formel 1 vertreten. Bis sie einen Schritt weitergehen, heißt es für Tung abwarten.

Dabei sollte man der Ehrlichkeit halber erwähnen, dass Tung gar kein Chinese ist. Zumindest nicht seinem Pass nach. Laut dem ist er nämlich Holländer, und das chinesische Recht lässt keine Doppelstaatsbürgerschaft zu. Trotzdem startet Tung ganz offiziell für China. Seine Eltern sind nämlich Chinesen; sie stammen aus Wenzhou einer Stadt südlich von Shanghai. Vor mehr als 30 Jahren sind sie in die Niederlande emigriert, wo Tung am 4. Dezember 1982 geboren wurde und aufwuchs.

In der Schule erwies sich Tung als Sprachen-As. Er kann fließend Holländisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Deutsch und hat in der Schule noch vier Jahre Latein und Griechisch gelernt. Sein Doppelstudium in Jus und Wirtschaft unterbrach er schließlich zugunsten seiner Rennfahrerkarriere. Wer weiß, vielleicht bringt ihn diese Entscheidung eines Tages auf den begehrten Podestplatz eines Formel-1-Grand-Prix...