Das Chemieunternehmen Ineos will eine Milliarde Dollar in die Schiefergasförderung in Großbritannien investieren. | Deutschland will Fracking unter strengen Auflagen erlauben.
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London/Berlin. (ce/reuters) In Europa löst der Gebrauch des Wortes Fracking in den meisten Staaten einen Aufschrei aus: Zu gefährlich für die Umwelt sei die Methode der Schiefergas-Gewinnung, die Risiken nicht einschätzbar. In Großbritannien sieht man das nicht so. Die Regierung von Premierminister David Cameron unterstützt die umstrittene Erdgas-Gewinnungs-Methode. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass sich das Chemie-Unternehmen Ineos, dessen Hauptsitz in Rolle am Genfer See liegt, die britische Insel ausgesucht hat, um in die Schiefergas-Produktion zu investieren. Die Rekordsumme von einer Milliarde US-Dollar soll laut BBC in die Förderung in Schottland gesteckt werden. Experten sehen dies als Vertrauensbeweis für diese Form der Energiegewinnung.
Allerdings ringt Großbritannien mit der Art der Umsetzung. Kontrovers diskutiert wurde lange, ob man Schiefergasbohrungen unter Privatgrundstücken ohne Einwilligung des Eigentümers erlauben solle.
Innerhalb Großbritanniens ist in Schottland die Kritik an dem Förderverfahren am größten. Doch ausgerechnet hier soll nun mit der Gasförderung begonnen werden. Ineos will das geförderte Schiefergas nämlich als Rohmaterial für seine Chemie-Anlage im schottischen Grangemouth nutzen. Dafür hatte der Konzern Fracking-Lizenzen für ein 329 Quadratkilometer großes Gelände um das Werk herum erworben.
Gegner in Schottland: "Bestechung"
Eine von Ineos im Voraus in Auftrag gegebene Studie ergab, dass sich 46 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut YouGov befragten Schotten gegen Fracking aussprachen. Daraufhin versprach der Konzern, dass sechs Prozent der Einnahmen den Grund- und Hausbesitzern der Umgebung zugute kommen sollen - ein Versprechen, das die Aktivistengruppe Freunde der Erde Schottlands als "offensichtlichen Versuch der kommunalen Bestechung" bezeichnet hat.
Die Maßnahme zeigte wenig Erfolg. Nach der Ankündigung stieg die Zustimmung gerade um fünf Prozent. Zum Vergleich: In Gesamt-Großbritannien ist die Zustimmung von etwa 44 Prozent laut ICM-Umfrage 2013 auf 24 Prozent laut einer Umfrage des Ministeriums für Energie und Klimawandel vom August dieses Jahres gesunken. Doch etwa die Hälfte der Befragten erklärte, ihre Haltung sei neutral.
Die schottische Regierung ist ganz auf Linie ihrer Bürger und pocht, anders als London, auf strengere Regelungen und genauere Überprüfungen von Umwelt- und Gesundheitsfragen. Die Frage ist auch, ob sich Fracking in Schottland überhaupt lohnt. Laut einer Studie der British Geological Survey sind die Schiefergas-Vorkommen in Schottland nicht besonders ergiebig. Die Experten mahnen, dass die relativ komplexe geologische Struktur der Bodenbeschaffenheit in Schottland und das begrenzte Vorkommen von guter Schiefergas-Qualität eine genaue Berechnung der Produktions-Daten - anders als in England - unmöglich mache.
"Legen strengste Regelungen vor, die es je gab"
Indes öffnet die deutsche Regierung die Tür einen Spalt weit für die umstrittene Fördermethode. Auf Druck von Wirtschaftspolitikern der großen Koalition weicht die Regierung ihre Pläne für ein Fracking-Verbot auf und will es unter Auflagen in Einzelfällen zulassen. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun ein Gesetzesentwurf vor. "Wir legen die strengsten Regelungen im Bereich Fracking vor, die es jemals gab", betonte die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks am Donnerstag.
Zunächst sollte in Deutschland Fracking in Schiefer- und Kohleflözgestein nur in Forschungsprojekten erlaubt werden. Nun können Konzerne ab 2019 auf die kommerzielle Ausbeutung von Vorkommen hoffen - aber nur in bestimmten Gebieten und nach einem ziemlichen Hürdenlauf.
Für Trinkwasser- und Naturschutzgebiete etwa wird das Verfahren verboten, auch in anderen Gebieten sollen Fracking-Vorhaben in Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3000 Metern untersagt werden. Die Vorkommen liegen meist höher, bei 1000 bis 2000 Metern.
Unternehmen können aber Probebohrungen zur Erforschung beantragen. Darüber müssen dann die Landesbehörden entscheiden. Gibt es grünes Licht, gilt hierfür die 3000-Meter-Grenze nicht mehr. Wollen die Unternehmen anschließend Gas kommerziell fördern, kommt eine Expertenkommission ins Spiel. Hat sie mehrheitlich keine Bedenken, kann die Landesbehörde die Förderung genehmigen, sie muss es aber nicht. Es gebe keinen Automatismus, wird betont. Umweltschützer fürchten eine Verunreinigung des Trinkwassers. Bis hin zu Bierbrauern und Mineralwasserherstellen reicht in Deutschland die Protestfront.
In den USA hat Fracking zu einem Sinken der Energiepreise beigetragen, zudem betonen Unternehmen, dass man damit unabhängiger werden könnte von Erdgaslieferungen aus Russland.