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Seit 2008 mussten 80 Fluglinien aufgeben. | Viele wurden à la AUA durch Verkauf gerettet. | Verstärkter Trend zu Fusionen und Allianzen. | Es geht Schlag auf Schlag: Anfang August war die größte mexikanische Fluglinie bankrott. Die seit 1921 bestehende Mexicana musste wegen ihrer prekären Finanzlage Gläubigerschutz beantragen. Nicht nur die dramatische Finanzkrise und die hohen Kerosinpreise, auch gestiegene Arbeitskosten sowie die Schweinegrippe im Vorjahr hatten sie schwer getroffen.
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Drei Wochen später stellte der saudische Billigflieger Sama den Flugbetrieb ein. Das vor vier Jahren gegründete Unternehmen hatte einen Verlust von umgerechnet 209 Millionen Euro angehäuft und war bei der Suche nach einem strategischen Investor erfolglos geblieben.
Ende August verdichteten sich Indizien, dass selbst die bisher stets als erfolgreich geltende Thai Airways kurz vor der Pleite stehen könnte: Die Gesellschaft, die 2008 erstmals in ihrer 45-jährigen Geschichte in die roten Zahlen geflogen war, braucht nicht bloß eine massive staatliche Hilfe von 1,4 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro), sondern wird nur durch ein drastisches Sparprogramm noch einmal die Kurve kratzen können.
Das weltweite Airline-Sterben - im letzten Jahrzehnt sind immerhin rund 200 vom Markt verschwunden - ist mit Sicherheit nicht gestoppt: Der Fliegerbranche stehen weitere Insolvenzen bevor. Auch etliche europäische Gesellschaften sind, nachdem etwa die schwer kriselnde AUA vor einem Jahr von der Lufthansa gerettet wurde, akut gefährdet. So wie Serbiens veraltete und schwer defizitäre JAT Airways, die nur sieben intakte Flugzeuge besitzt, die angeschlagene Czech Airlines, für die bisher kein Interessent gefunden wurde, oder die ungarische Malev, die nach dem Rückzug ihrer russischen Eigentümer erneut verstaatlicht werden musste, torkelt ein Rudel an schwachbrüstigen Fliegerfirmen am Rande des Ruins dahin.
Die Krise setzte brutal zu
Das Dilemma der Flugbranche, die 2008/2009 eine extreme Schlechtwetterfront durchquerte, ist vielschichtig: Zum einen haben Finanzkrise samt Konjunkturbaisse fast allen der mehr als 1000 Fluggesellschaften zweifellos noch brutaler zugesetzt als anderen Wirtschaftszweigen. Laut Giovanni Bisignani, Generaldirektor des weltweiten Luftfahrtverbands IATA, bescherte ihnen der Rückgang bei Passagieren und Frachtaufkommen ein 15-prozentiges Umsatzminus auf 479 Milliarden Dollar. Alles in allem wiesen die Airlines für 2009 Verluste in Höhe von insgesamt 9,9 Milliarden Dollar aus - heuer werden sich die Defizite immer noch auf 5,6 Milliarden summieren.
In den beiden Krisenjahren hat es - von Russland über die Slowakei, Spanien und Saudi-Arabien bis in die USA - rund 80 Fluglinien aus unterschiedlichsten Gründen erwischt: Während etwa die indonesische Adam Air im Nichts verschwand, weil sie nach einem Crash die Lizenz verlor, und die Air Corridor aus Mosambik wegen schwerer Sicherheitsmängel passen musste, wurde die chinesische East Star Airlines wegen Zahlungsschwierigkeiten von der Luftfahrtbehörde gezwungen, ihren Flugbetrieb einzustellen. Andere Airlines wechselten notgedrungen bloß den Besitzer (darunter die neuseeländische Freedom Air oder die estländische Aero Airlines), womit ihr Label von der Bildfläche verschwand.
Auch in allen anderen Fällen waren gravierende Finanzprobleme für das Aus ausschlaggebend - beispielsweise bei der russischen AiRUnion oder der kambodschanischen Angkor Airways. In die Insolvenz geschlittert sind seit Jänner 2008 rund 50 Fluggesellschaften (siehe Grafik links unten). Am häufigsten betroffen waren Billigflieger wie die slowakische SkyEurope, deren vermeintlicher Höhenflug wegen permanenter Finanzierungsprobleme im Juni 2009 mit dem Crash endete, oder die spanische Air Comet, die im Dezember 2009 gegroundet wurde, weil sie einen Kredit nicht mehr zurückzahlen konnte und ein Gericht die Pfändung ihrer acht Flieger anordnete.
So wie etliche gescheiterte Mini-Unternehmen - die auf Afrika fixierte spanische Bravo Airlines etwa hatte nur eine einzige Boeing 767 - erwiesen sich auch diverse Chartergesellschaften als nicht überlebensfähig: So etwa musste die slowakische Seagle Air im vergangenen April ebenso aufgeben wie ihr direkter Rivale Air Slovakia, dem das Verkehrsministerium in Bratislava im Mai die Lizenz entzog, weil keine gesicherte Finanzierung nachgewiesen werden konnte.
Pleite-Gerüchte rankten sich zuletzt auch um diverse Fluglinien, die in schweren Turbulenzen sind: von der Air Canada, die im Vorjahr knapp vor der Insolvenz stand, über die polnische LOT, die hohe Defizite abwirft, bis zur Ghana Air International, die im April den Flugbetrieb einstellte, weil sie die Leasingraten für ihre Boeing 757 nicht zahlen konnte. Sie bekamen allesamt nicht nur die konjunkturelle Schwäche deutlich zu spüren (in Europa wurden die Verluste nach Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im April 2010 prolongiert), sondern beißen sich auch an Strukturproblemen die Zähne aus.
Giganten prägen neue Ära
Die meisten der in der Regel in Staatsbesitz befindlichen Airlines waren - wie etwa Sabena, Alitalia oder Olympic Airlines - wegen aufgeblähter Belegschaft, zu kleiner Heimmärkte, unrentabler Destinationen, falscher Strategien und Missmanagement obendrein dem harten Konkurrenzdruck nicht gewachsen. Sie haben bisweilen, so wie die 1975 verstaatlichte griechische Gesellschaft, operativ kaum jemals einen Cent verdient und waren letztlich trotz großzügiger Unterstützung seitens der Regierungen nicht über die Runden zu bringen.
Doch nur allmählich verloren die nationalistischen Einwände, dass Staatsfirmen keine anderen Aktionäre erhalten sollten, an Gewicht: So etwa konnten sich die Niederländer 2004 dazu durchringen, ihre KLM in eine Fusion mit der mächtigen Air France zu entlassen. Ein Jahr später mussten die Schweizer eingestehen, dass ihre Swissair-Nachfolgerin Swiss alleine nicht lebensfähig sei und reichten diese an die Lufthansa weiter. Seither brach in der internationalen Fliegerbranche eine regelrechte Fusionswelle aus, die für viele Airlines zum letzten Rettungsanker werden sollte: 2008 schlossen sich die beiden maroden US-Carrier Delta und Northwest, die zuvor nach Kapitel elf des amerikanischen Insolvenzrechts Gläubigerschutz beantragt hatten, zur größten Airline der Welt zusammen.
Erst kürzlich, Ende August, bekamen die beiden noch vor kurzem schwer angeschlagenen Mitbewerber United und Continental von den US-Kartellwächtern grünes Licht für eine Mega-Fusion. Die neue Nummer eins am Himmel soll in wenigen Wochen startklar sein und wird alle Rekorde brechen - sprich: 144 Millionen Passagiere zu 370 Destinationen in 59 Ländern bringen. Sanierung und Konsolidierung stehen derzeit weltweit hoch im Kurs: So etwa fusioniert die chilenische LAN als größte südamerikanische Airline gerade mit der brasilianischen TAM. Die 2,7 Milliarden Dollar schwere Transaktion schafft den mit 46 Millionen Passagieren elftgrößten Carrier der Welt.
Beschleunigte Konzentration
In der neuen Ära der Giganten nimmt die Konzentration in der Branche jedenfalls enorm zu: Airlines, die nicht zu den drei großen Allianzen gehören (so etwa sitzen Lufthansa und Delta/Northwest in der führenden Star Alliance im selben Boot), werden sich künftig schwer tun, die Kurve zu kratzen und unbehelligt aus der Flaute zu fliegen.
In Gefahr sind aber nicht nur kleinere Mitbewerber, deren letzte Chance zum Schuldenabbau finanzstarke Partner, knallharte Sparprogramme und neue Firmenstrategien sind, sondern auch etablierte Airlines: Die japanische JAL beispielsweise, umsatzmäßig Branchen-Primus in Asien, musste im Jänner Insolvenz anmelden. Ein Schuldenerlass, eine totale Umstrukturierung, ein radikaler Personalabbau sowie staatliche Garantien sollen den jahrelangen finanziellen Sturzflug der Airline stoppen.
Die starken Allianzen
Die drei führenden Fluglinien in Europa heben sich von den anderen immer stärker ab. Die Lufthansa als Nummer eins hat sich nicht nur die Swiss und die AUA einverleibt, sondern besitzt auch Brussels Airlines fast zur Hälfte und British Midland zur Gänze. Dazu kommen noch Eurowings und die Billigschiene Germanwings. Die 2004 per Fusion entstandene Air France/KLM wiederum mischt bei der neuen Alitalia mit und hält Anteile an sieben kleineren Carriern (darunter Kenya Airways und Air Mauritius). British Airways schließlich hat sich im Juni mit dem spanischen Konkurrenten Iberia zusammengetan und kooperiert zugleich mit American Airlines.
Die drei europäischen Flugriesen, die 2009 durchwegs Verluste schrieben, gehören - wie 49 andere der insgesamt mehr als 1000 weltweiten Airlines - zu den mächtigsten Allianzen der Branche: Star Alliance, SkyTeam und Oneworld. Diese bieten etwa Vielfliegerprogramme, Einkaufsrabatte oder Rund-um-die-Welt-Tarife an, haben gemeinsame Verkaufsbüros und bringen es auf einen weltweiten Marktanteil von bereits mehr als 60 Prozent.
* Star Alliance: Das 1997 gegründete Flugbündnis (mit Lufthansa an der Spitze) hat derzeit 28 Mitglieder, 4027 Flugzeuge und jährlich 627 Millionen Passagiere. Die Zahl der Flüge pro Tag: 21.000.
* SkyTeam: Die von Air France/KLM dominierte Allianz (im Jahr 2000 gegründet) zählt 13 Mitglieder, hat 1950 Flugzeuge und kommt auf jährlich 385 Millionen Passagiere. Täglich werden 12.600 Flüge abgewickelt.
* Oneworld: Die von American Airlines und British Airways geführte Allianz (1999 gegründet) hat elf Mitglieder, 2500 Flieger und 336 Millionen Passagiere pro Jahr. Die Flüge pro Tag: 9400.