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Turbulente Wachablöse in Mexiko

Von Christine Zeiner

Politik

Konservative hoffen auf gutes Verhältnis zu USA. | Land ist politisch tief gespalten. | Mexiko Stadt. "Wir haben einen fürchterlichen Nachbarn", sagt Carlos Gamboa. Es sei besser, mit den USA Freund als Feind zu sein, meint der mexikanische Geschäftsmann. "Deshalb ist es gut, dass Calderon Präsident ist." Filipe Calderon übernimmt am 1. Dezember das Präsidentenamt des politisch tief gespaltenen Landes von seinem Parteikollegen Vicente Fox.


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Mexikos Wirtschaft ist eng mit den USA verknüpft: 90 Prozent des Handels werden mit dem nördlichen Nachbarn bestritten. Vor allem der Agrarbereich konkurriert zunehmend mit jenem der USA. Seit Mexiko 1994 der Nordamerikanischen Freihandelszone Nafta mit den USA und Kanada beigetreten ist, werden die Zölle schrittweise gesenkt - der Zoll auf Mais etwa wird 2007 von 27 auf 16 Prozent fallen. Ab 2008 liegt der Zollsatz bei Null.

Gamboa ist wie Calderon Mitglied der rechtskonservativen PAN, jener Partei, die mit dem Wahlsieg im Jahr 2000 die 70-jährige Herrschaft der "Partei der institutionalisierten Revolution" (PRI) beendet hat. "Es war gut, Lopez Obrador zu ignorieren", resümiert er. Doch tatsächlich war im Wahlkampf das Gegenteil der Fall: Der linkspopulistische Präsidentschaftskandidat der PRD, Andres Manuel Lopez Obrador, von seinen Anhängern "Amlo" genannt, wurde von seinen Gegnern ganz und gar nicht links liegen gelassen: Wer Lopez Obrador wähle, wähle einen zweiten Chavez, wurde gewarnt. Der Präsident Venezuelas, Hugo Chavez, ist der Schrecken vieler großer Wirtschaftstreibender und Feindbild der USA. "Der Vergleich stimmt nicht", meinen Beobachter: Lopez Obrador und Chavez hätten einander noch nicht einmal getroffen.

"Ich glaube, Calderon und Lopez Obrador hätten sich in ihrer Politik gar nicht so sehr unterschieden. Das sieht man in Amlos 50-Punkte-Programm: Lopez Obrador hätte genauso in die Infrastruktur investiert, und die Nafta-Verträge hätte er auch nicht rückgängig machen können", meint der Sozialgeograf Oliver Fröhling, der in Mexiko lebt und arbeitet. Lopez Obrador hätte vielleicht ein wenig mehr auf den Sozialbereich gesetzt, sagt er.

Obradors Rückhalt schwindet

Das hatte dieser bereits als Bürgermeister von Mexiko Stadt getan: Vor allem Ältere profitierten vom Ausbau des Gesundheits- und Pensionswesens. Im Wahlkampf schließlich ist die konservative PAN in letzter Sekunde auf diesen Zug aufgesprungen - Fox erhöhte die Sozialausgaben. Das könnte mit ein Grund für den knappen Sieg Calderons gewesen sein. Die Ausweitung des Sozialbudgets wurde durch die gestiegenen Öleinnahmen der staatlichen Ölgesellschaft Pemex erleichtert.

Ob dies auch in Zukunft so sein wird, sei fraglich, meint Fröhling. Einiges deute darauf hin, dass die Pemex privatisiert werde. "Was von der PAN verschwiegen wurde, ist, dass Calderon als Energieminister unter Fox die Pemex heruntergewirtschaftet hat", sagt Fröhling. Die hohen Ölpreise wurden nicht für Investitionen in die Infrastruktur und die Modernisierung der Anlagen genützt. Einer Privatisierung würden nun nicht mehr länger die Argumente fehlen. Calderon hat bereits angekündigt, dass Pemex unter seiner Ägide für Kooperationen mit der Privatwirtschaft geöffnet werden soll. Von den US-Firmen, die auf den Markt drängen, wird ein solcher Präsident begrüßt.

Als Calderon sein Kabinett vorstellte, rief Lopez Obrador vergangene Woche eine Gegenregierung aus; die Feiern am Freitag sollen gestört werden. Einige PRD-Mitglieder sind von dieser Vorgangsweise ihres Kandidaten mittlerweile wenig angetan. Nach dem 1. Dezember wird wohl einigen das Hemd näher als der Rock sein: Als Gouverneure einiger mexikanischer Bundesstaaten liegt ihnen daran, es sich nicht mit der Regierung zu verderben. Auch unter der Bevölkerung hat die Begeisterung für "Amlo" inzwischen nachgelassen. Manche PRD-Gouverneure wollen deshalb kein Risiko eingehen: In sechs Jahren sind wieder Wahlen - und der eine oder andere wird an einer Kandidatur interessiert sein.