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Türkei arbeitet an ihrem guten Ruf

Von Erika Bettstein

Wirtschaft

Der Erste Handelsrat der Türkischen Botschaft in Wien, Tevfik Isil Ünel, präsentiert sein Land als Handelspartner mit großem wirtschaftlichen Zukunftspotential. Im Gespräch mit der "Wiener | Zeitung" verweist Ünel zudem auf Möglichkeiten eines weiteren Ausbaus der traditionell guten Handelsbeziehungen zwischen der Türkei und Österreich.


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Imageaufbau in Sachen Wirtschaft hat sich das Türkische Staatssekretariat für Außenhandel vorgenommen und für 1999 ein Programm erarbeitet, das bestehende Produktions- und Exportkapazitäten sowie

das wirtschaftliche Zukunftspotential der Türkei international präsentieren will. Im Rahmen dieses Programmes wurden auch internationale Wirtschaftsjournalisten in die Türkei eingeladen: "Wir halten

viel davon, wenn sich die Fachleute vor Ort selbst ein Bild von der türkischen Wirtschaft machen können", erklärt Ünel.

Abbau von Handelsbarrieren mit Blickrichtung Westen

In den vergangenen zehn Jahren hätte sich die türkische Außenhandelspolitik nach den Prinzipien des freien und fairen Wettbewerbs ausgerichtet und daran gearbeitet, Handelsbarrieren abzubauen,

berichtet der Handelsrat. Seit 1996 besteht ein Zollabkommen mit der EU.

In dessen Rahmen habe sich die Türkei EU-Rechtsbestand angepaßt und etwa Import-Schutzbestimmungen signifikant reduziert. Darüber hinaus habe die Türkei Freihandelsabkommen mit 11 Staaten

abgeschlossen und ihren Rechtsbestand um Urheberrechtschutz- und Konsumentenschutzbestimmungen ebenso erweitert wie um Wettbewerbsregelungen und Regelungen von Subventionen. Ebenso nehme die Türkei

an einer Reihe internationaler Handelsverträge und Konventionen teil.

Mit mehr Industrieprodukten in den Außenhandel

Dank dieser Maßnahmen sei das Volumen der türkischen Gesamtexporte seit 1980 von 3 Mrd. Dollar auf 27 Mrd. Dollar im Vorjahr gestiegen. 90% der Industrieprodukte gingen in den Export, diese wiesen

eine durchschnittliche Steigerungsrate von 14% jährlich auf. Das Gesamtvolumen der türkischen Importe sei in diesem Zeitraum auf 46 Mrd. Dollar angewachsen.

"Eine objektive Analyse zeigt, daß die Türkei mit ihrer dynamischen freien Marktwirtschaft, steigenden Wachstumsraten, einem entwickelten Finanzmarkt und einem prosperierenden Inlandsmarkt die

Kriterien der EU schon jetzt besser erfüllt, als mancher Beitrittskandidat", meint Ünel. Das BIP der Türkei betrage 35% des Gesamt-BIP der Beitrittskandidatenländer, das türkische Handelsvolumen

mache 25% des gesamten Handelsvolumens dieser Länder aus, die türkischen Exporte würden 60% von deren Gesamtexportvolumen betragen, stellt Ünel das wirtschaftliche Potential seines Landes dar.

Keine Freude über stockende Beziehungen zur EU

Zufrieden mit den Beziehungen zur EU ist die Türkei naturgemäß nicht · zudem bereits entschieden ist, daß die Union auch beim nächsten Gipfeltreffen im Dezember in Helsinki die Türkei als

offiziellen Beitrittskandidaten nicht anerkennen wird.

Ein diesbezüglicher Vorstoß Deutschlands ist · wie berichtet · am Widerstand Griechenlands, Italiens und Schwedens gescheitert. "Unser Zollabkommen mit der EU wirkt sich hauptsächlich zugunsten der

Union aus", sagt Ünel.

Verläßliche Vertragspartner für heimische Exporteure

Positive Worte findet der Handelsrat zu den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich. Eine Einschätzung, die auch Österreichs Handelsdelegierter in Ankara, Peter Sedlmayer, teilt.

Österreichische Exporteure könnten in der Türkei mit "verläßlichen Vertragspartnern" gute Geschäfte realisieren. Vor allem im Kraftwerksbau hätten die beiden Länder in den letzten zehn Jahren

"perfekt kooperiert", zeigt Ünel österreichische Stärken auf.

Das bilaterale Handelsvolumen habe sich dementsprechend von 6 Mrd. Schilling 1993 auf 12 Mrd. Schilling 1998 verdoppelt. Nach vorläufigen Zahlen betrugen die türkischen Exporte nach Österreich im

ersten Quartal dieses Jahres 1,345 Mrd. Schilling, die Importe aus Österreich 1,361 Mrd. Schilling, berichtet Ünel.

Zur "weiteren Steigerung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der Türkei und Österreich" will Ünel folgende Strategien verfolgen:

1. Kooperation bei internationalen Verträgen mit Drittländern, insbesondere mit GUS-Ländern und Zentralasien. "Die Türkei ist das Tor zu Asien", betont der Handelsrat die geografische

Schlüsselposition der Türkei. Seit 1970 hätten türkische Vertragspartner internationale Projekte im Gesamtvolumen von 42 Mrd. Dollar realisiert: "Unter Einsatz moderner Technologie, mit Erfahrung und

Kompetenz auf diesen Märkten wurden etwa große Infrastruktur- und Bauvorhaben erfolgreich umgesetzt".

2. Auch österreichische Investoren sollten vom Privatisierungsprozeß in der Türkei profitieren. Zur Zeit stünden 76 Unternehmen und eine Reihe von Immobilien zur Privatisierung an.

3. Wettbewerbsadäquate Preisgestaltung und Einhaltung von Qualitätsstandards vorausgesetzt sollten beide Seiten die Importprodukte des jeweils anderen Landes bevorzugen.

4. Die zuständigen österreichischen Behörden sollten Regulierungen abbauen, die türkische Investitionen in Österreich behindern · vor allem bei Gründung neuer türkischer Unternehmen oder

Tochterfirmen in Österreich.