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Türkei: Auf dem Weg nach Westen

Von Erika Bettstein

Wirtschaft

Innerhalb der OECD konnte die türkische Wirtschaft seit Jahren das stärkste Wachstum aufweisen: Zwischen 1992 und 1997 betrugen die jährlichen Zuwachsraten ¹) von 6 bis 8,5%. 1998 begann mit | großen Erwartungen angesichts des Stabilisierungs- und Anti-Inflationsprogrammes der damaligen Regierung unter Mesut Yilmaz. Die politische Unsicherheit nach deren Sturz, die Wirtschaftskrise des | Handelspartners Rußland wie auch Rückgänge im Tourismus haben den wirtschaftlichen Schwung bis jetzt allerdings gebremst.


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Die neue Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Bülent Ecevit ist nun der Hoffnungsträger · die Türkei, "Verbindungsglied zwischen Europa und Asien", steht vor umfangreichen Reformen. Vor

Journalisten erklärte Ecevit in Ankara, daß die Senkung der hohen Inflationsrate (1998: 69,6%, derzeit rund 50%) und des hohen Zinsniveaus sowie weitere Privatisierungen, die Reformierung des

Bankensektors, der Landwirtschaft und des Sozialsystems vorrangig seien.

Die Türkei sei geografisch und kulturell ein Teil Europas, betonte Ecevit in Richtung EU. Für das nächste Gipfeltreffen der Union im Dezember in Helsinki muß das Land seine Hoffnung, als offizieller

Beitrittskandidat anerkannt zu werden, allerdings begraben: Ein diesbezüglicher Vorstoß des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder scheiterte am Widerstand Griechenlands, Italiens und Schwedens.

Die Tür zur EU

offenhalten

Mit dem Offenhalten der Tür zur EU würden die demokratischen Kräfte in der Türkei "mehr Schubkraft erhalten", meinte Schröder. "Europa ist nicht die ganze Welt", sagte Ecevit. Möglich, daß er

damit nicht nur die wirtschaftliche Orientierung der Türkei in eine andere als die westliche Richtung meint. Die Türkei sollte aber EU-Mitglied werden, ist der Ministerpräsident überzeugt, und: "Wir

werden das geduldig abwarten".

"Glücklich mit der Entwicklung der Türkei" zeigte sich Staatspräsident Süleyman Demirel. Das Land weise heute eine wettbewerbsfähige Marktwirtschaft auf. Die Türkei treibe Handel mit weltweit 134

Ländern, 90% der Industriegüter gingen in den Export, die Zollunion mit der EU seit 1996 habe den Handel mit dem wichtigsten Partner Europa forciert. Demirel räumt ein, daß auch die Wirtschaft unter

der politischen Instabilität gelitten habe, doch "nun herrscht Optimismus und das Vertrauen in die neue Regierung".

Das Bruttonationalprodukt pro Kopf der rund 65 Mill. Einwohner sei von 2.655 Dollar 1991 auf rund 3.048 Dollar 1997 gestiegen, berichtet Österreichs Handelsdelegierter in Ankara, Peter Sedlmayer. Im

selben Zeitraum fiel der Anteil der Landwirtschaft von 16,8% auf 14,1%, während die Sektoren Industrie und Dienstleistungen auf 28,6 bzw. 57,3% zulegten. Der Außenhandel der Türkei habe sich im

Beobachtungszeitraum von rund 36 auf 72 Mrd. Dollar verdoppelt, rund 50% der Exporte und Importe beträfe die EU.

Problemloser Handel

mit Österreich

Chancen für österreichische Exporteure ortet Sedlmayer vor allem bei Maschinen und im Infrastrukturbereich. Den Exporteuren rät er "unbedingt" zum persönlichen Kontakt: "Mit dem Katalog allein

macht man hier kein Geschäft". Sehr angesehen sei bei den türkischen Geschäftsleuten das "Österreichisch-türkische Business-Council", "das ist eine gute Plattform, Geschäftsbeziehungen auf

informeller Ebene zu vertiefen", so Sedlmayer.

Die hohe Inflation bereite keine Probleme, Verträge würden in Dollar oder DM ausgefertigt. Zudem bestünde ein bilaterales Investitionsschutzabkommen. Grundsätzlich seien türkische Unternehmer

"verläßliche Vertragspartner", vorsichtig sollten aber heimische Unternehmer sein, die mit neuen Geschäftspartnern in der Türkei arbeiten: Türkischem Recht entsprechend liegt die Verfügungsgewalt

über Waren ab Versand beim Empfänger. 1997 betrugen die Exporte in die Türkei 6,63 Mrd. Schilling (plus 29,3% gegenüber 1996), bis zum 3. Quartal 1998 legten diese um weitere 5,1% auf 5,6 Mrd.

Schilling zu.

¹) Mit Ausnahme des Krisenjahres 1994