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Türkei-Beitritt: Glawischnig pocht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auf Mitspracherecht des Nationalrats

Von Georg Friesenbichler und Walter Hämmerle

Europaarchiv

ÖVP und Grüne haben das selbe Ziel: Die EU soll mit der Türkei Beitrittsverhandlungen mit offenem Ausgang aufnehmen. Trotzdem pocht Eva Glawischnig, stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, auf ein Mitspracherecht des Nationalrats.


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n "Die Forderung 'mehr für alle' wird es mit den Grünen nicht geben." n

"Das war kein Gutachten, das war lediglich eine Feststellung." Die Verärgerung über das Vorgehen von Nationalratspräsident Andreas Khol ist bei Glawischnig noch immer nicht verflogen. Khol hatte ein Gutachten der Parlamentsdirektion vorgelegt, dass zu dem Schluss kommt, dass Bundeskanzler Schüssel über die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei beim EU-Gipfel im Dezember frei entscheiden kann.

Die Grünen sind hier gegenteiliger Ansicht und beharren auf einer Bindung des Kanzlers durch den Hauptausschuss. Für die Grünen ist das eine grundsätzliche Frage: "Das Parlament kann nicht immer nur als Bühne für die Regierung missbraucht werden, sondern muss auch ein Mitspracherecht haben."

In der Sache selbst liegen die Grünen dennoch auf einer Linie mit der ÖVP: Sie sind für die Aufnahme von Verhandlungen mit offenem Ausgang. Am Bericht der EU-Kommission schätzt Glawischnig, dass "sehr, sehr viele kritische Untertöne" enthalten seien. Nicht so viele Rechte wie dem Parlament möchte sie der Bevölkerung einräumen: Sie befürwortet eine Volksabstimmung nur im Fall eines gesamteuropäischen Referendums: "Wir sind gegen eine Abstimmung nur in Österreich."

Schmerzhaft vermisst Glawischnig auch eine öffentliche Diskussion eines Türkei-Beitritts. Dass hier die Vorteile nicht mehr erklärt werden, ist für Glawischnig "schon eine gewisse Führungsschwäche."

"Beschämend" ist für sie, was sich derzeit in der heimischen Flüchtlingspolitik abspielt. Selbst wenn die Radikalmaßnahmen von Innenminister Strasser nun Bewegung in die Suche nach Flüchtlingsquartieren (siehe Seite 9) gebracht habe, sei das doch "keine dauerhafte Lösung". "Die Forderung der Grünen nach einer fixen Bundesbetreuung für Flüchtlinge bleibt daher aufrecht".

Nicht festlegen lassen will sich die Grüne Spitzenpolitikerin bei inhaltlichen Fragen im Falle einer Regierungsbeteiligung nach den nächsten Nationalratswahlen. Nur eines sei klar: "Mehr für alle zu fordern", werde es mit den Grünen nicht geben, Budgetdisziplin habe für die Grünen Priorität. Umso unverständlicher ist für sie, dass Finanzminister Grasser beim Budget 2005 mit einem Defizit von fast 6 Mrd Euro diesen Weg verlassen habe. Noch dazu, wo völlig unklar sei, wo 4 dieser 6 Mrd. geblieben seien.

Leicht fällt Glawischnig dagegen die Antwort auf ihre persönliche Wahl zwischen US-Präsident George W. Bush und seinem Herausforderer John Kerry: "Wehe, wenn es den Demokraten wieder gelingt, gegen Bush zu verlieren!" Mit Kerry, so ist sie überzeugt, könne es nur besser werden.