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Wer den prestigeträchtigen Posten bekommt, ist schon seit einiger Zeit Diskussionsthema in der Türkei. Doch nun kann offiziell der Verhandlungsführer für die Beitrittsgespräche Ankaras mit der EU ernannt werden. Als Anwärter mit den größten Chancen auf das Amt gilt Außenminister Abdullah Gül.
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Für die Türkei sieht er einen neuen Stellenwert in Europa, für sich vielleicht bald ein neues Amt. Die Entscheidung des EU-Rates, Beitrittsverhandlungen mit Ankara aufzunehmen habe dem Land zu einem neuen Status verholfen, erklärte Außenminister Abdullah Gül nach seiner Rückkehr aus Brüssel. Nun steht er selbst im Zentrum von Spekulationen um den Posten des Verhandlungsführers. Gül ist der aussichtsreichste Kandidat; im Gespräch sind auch Wirtschaftsminister Ali Babacan und Mehmet Aydin, bisher zuständig für das türkische Religionsamt.
Ob die Verhandlungen jedoch am 3. Oktober 2005 beginnen, wie von den EU-Staats- und Regierungschefs vereinbart, ist noch unklar. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, könnte sich das "screening" der EU, der Beobachtungszeitraum ausweiten. So könnten die Gespräche auch erst Anfang 2006 starten.
Der Freude über die Gipfelentscheidung tat dies in der Türkei am Wochenende aber kaum einen Abbruch. Wie ein Volksheld wurde Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan schon am Istanbuler Flughafen empfangen. Einen "großen Sieg" verkündete er dann vor tausenden Anhängerinnen und Anhängern in Ankara.
Gedämpfter war die Stimmung in Zypern. Während die Regierungsspitze der nur von der Türkei anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern" Erdogan zu seinem Erfolg in Brüssel gratulierte, gab es im griechischen Teil der Insel leise Kritik an Staatspräsident Tassos Papadopoulos. Dieser hatte noch vor dem Gipfel mit einem Veto gegen die Aufnahme von Verhandlungen mit Ankara gedroht, sollte die Türkei die Republik Zypern nicht anerkennen. Die Zusage Erdogans, mit der Unterzeichnung des Ankara-Protokolls die Zollunion auch auf Zypern auszuweiten, empfinden einige griechische Zyprioten als zu wenig.
Obwohl Erdogan betont, seine Zusage bedeute keine rechtliche Anerkennung Zyperns, muss er seine Haltung in der Türkei rechtfertigen. Auch hat er die Gefahr zu neutralisieren, dass Zypern die Verhandlungen mit Ankara blockiert. Unter diesem Druck könnte er den Plan zu einer Wiedervereinigung der Mittelmeerinsel - unter Vermittlung der Vereinten Nationen (UNO) - forcieren. Ein neuer UN-Sonderbeauftragter für Zypern ist bereits ernannt: Zbigniew Wlosowicz.