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Türkei braucht neue Militärs

Von Georg Friesenbichler

Politik

Gendarmeriechef soll nach Rücktritten Generalstab leiten. | Ergebnisse am Donnerstag.


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Ankara. Schon vor einem Jahr war die Sitzung des Hohen Militärrates (YAS) alles andere als konfliktfrei: Premier Recep Tayyip Erdogan weigerte sich damals, Isik Kosaner, der zuvor Kommandeur der Landstreifkräfte gewesen war, als neuen Generalstabschef anzuerkennen. Denn sein Nachfolger als Heereschef war in Propaganda gegen die AKP-Regierung verwickelt. Erst als ein anderer General Heereschef wurde, durfte auch Kosaner mit einigen Tagen Verspätung Generalstabschef werden.

Am Montag begann wieder die halbjährliche YAS-Sitzung, aber die Voraussetzungen sind andere. Kosaner trat am Freitag aus eigenem Willen ab, und mit ihm drei weitere Kommandeure der wichtigsten Waffengattungen. Kosaner begründete seinen Rücktritt mit den Worten, er habe ihm untergebene Offiziere nicht vor einer Strafverfolgung wegen angeblicher Umsturzpläne schützen können. Der Rücktritt ist wohl aber auch eine späte Reaktion auf die Ereignisse vor einem Jahr, mit denen Erdogan das Primat der Politik gegenüber dem Militär betont hatte. Denn bis dahin hatte die Armee recht eigenständig über die internen Beförderungen entscheiden können.

Nun soll der Militärrat in seiner viertägigen Sitzung also über die Neubesetzungen der vakant gewordenen Posten entscheiden. Eine Vorentscheidung war noch am Freitagabend getroffen worden, als Präsident Abdullah Gül den einzigen verbliebenen Generalstäbler, den Kommandeur der Gendarmerie, Necdet Özel, zum Generalstabschef ernannte. Er war schon als Kosaner-Nachfolger vorgesehen gewesen - allerdings erst in zwei Jahren.

Die 180.000 Mann starke "Jandarma" untersteht zwar dem Innenministerium, ist aber trotzdem ein Teil des Militärapparates - sie fungiert nämlich als Militärpolizei und ist auch für innere Sicherheit und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig. Damit ist sie auch eng in den Kampf gegen vermeintliche oder wirkliche kurdische Unabhängigkeitskämpfer verwickelt. Die Gendarmerie soll auch lange Zeit einen eigenen Geheimdienst unterhalten haben, dem im Zusammenhang mit der Terrorbekämpfung Menschenrechtsverletzungen und Attentate, die den Separatisten in die Schuhe geschoben wurden, vorgeworfen werden.

Nun betonte Özel bei seinem Abschied von der paramilitärischen Truppe, das Militär sei eine "Armee des Gesetzes". Beobachter sehen darin eine Loyalitätsadresse an die erst im Juni im Amt bestätigte AKP-Regierung. Auf das kemalistische Gesetz hatten sich allerdings auch die Militärführer berufen, die seit 1960 vier Mal gegen die Regierung geputscht hatten. Auch der zurückgetretene Kosaner sah sich als Verfechter des Säkularismus, der strikten Trennung von Staat und Religion. Nun wird erwartet, dass sich die Nachfolger im Generalstab loyaler gegenüber der demokratisch legitimierten Regierung verhalten. Die Ergebnisse der Militärrat-Sitzung will Präsident Gül am Donnerstag bekanntgeben.