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Türkei: Chirac will Referendum

Von Veronika Gasser

Europaarchiv

Die Politik in Frankreich will die Frage, ob die Türkei der EU beitreten soll, dem Volk überlassen. Präsident Jaques Chirac kündigte an, vor dem Türkei-Beitritt ein Referendum abzuhalten.


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Chirac lasst prüfen, wie die Verfassung geändert werden muss, damit das Referendum stattfinden kann. "Ich kann die Franzosen beruhigen, sie werden zu gegebener Zeit (knapp vor dem Beitritt, Anm.) mitreden dürfen." Der französische Politiker bekundete dies bei einem Treffen mit dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder in Strassburg. Schröder, ein Befürworter des Türkei-Beitritts, bezeichnete den Chirac-Vorstoß als einleuchtend. Er betonte jedoch sofort, dass Referenden in Deutschland derzeit verboten seien. Es bestehe aber die Möglichkeit das Grundgesetz zu ändern, vorgesehen sei es aber noch nicht.

Chirac erwägt die Franzosen bei jeder folgenden EU-Erweiterung "automatisch" zu befragen. Für Rumänien, Bulgarien und Kroatien werde die Regelung jedoch noch nicht gelten, stellte er klar. Prinzipiell befürwortet Frankreichs Präsident den Beitritt der Türkei. Die Referendum-Idee stammt eigentlich von Chiracs Rivalen aus den eigenen Reihen, nämlich von Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy, der Chirac demnächst als Chef der konservativen Regierungspartei UMP ablösen wird. Der beliebte Populist will vordergründig nicht gegen die Bürger regieren, denn die Mehrheit lehnt Ankara als Mitglied ab. Unterstützung hat Sarkozy von Premierminister Jean-Pierre Raffarin, auch er äußerte immer wieder seine Bedenken.

Obwohl es zwischen dem Referendum über die EU-Verfassung und der Türkei-Frage keine Verknüpfung geben soll, existiert diese dennoch. "Wenn nicht klar ist, wie wir die Sache mit der Türkei regeln, besteht die Gefahr, dass diese Frage die Abstimmung über die EU-Verfassung vergiftet", warnt der Chef der Wirtschaftskommission des Parlaments, Patrick Ollivier.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan versucht Bedenken auszuräumen. Selbst ein positiver Kommissionsbericht führe nicht automatisch zu einem Beitritt. Es gebe dafür Kriterien, doch diese würden auch noch nicht von allen EU-Mitgliedern erfüllt, so Erdogan. "Folter gibt es nicht in der Türkei."