Die Feiern am 1. Mai in der Türkei sind zu einem historischen Moment für die Gewerkschaften des Landes geworden. Zum ersten Mal seit 28 Jahren ist der 1. Mai wieder ein Feiertag. Und zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren konnten sich wieder mehrere tausend Arbeitnehmervertreter am zentralen Taksim-Platz in Istanbul versammeln. Während die Feier friedlich verlief, fanden in der Umgebung heftige Auseinandersezungen zwischen Polizei und Demonstranten statt.
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Nach der Erschießung von 36 Demonstranten am 1. Mai 1977 war der Taksim-Platz für Gewerkschafts-Demonstrationen gesperrt worden.
Diesmal gewährten die Behörden rund 5.000 Gewerkschaftern Zugang zu dem Platz, wo sie feierten, der Toten von 1977 gedachten und eine Bestrafung der Verantwortlichen für das damalige Blutbad forderten.
Der Chef des linken Gewerkschaftsverbandes DISK, Süleyman Celebi, kritisierte im Fernsehsender CNN-Türk die Begrenzung der Zahl der Demonstranten. Es sei aber von großer Bedeutung, dass die Gewerkschaften überhaupt am 1. Mai auf dem Taksim-Platz sein könnten. Laut Angaben der Polizei hätten auf dem Platz 230.000 Menschen Platz.
Der 1. Mai war in der Türkei erst vor kurzem zum offiziellen Feiertag erklärt worden.
In der Nähe des Taksim-Platzes lieferten sich einige Gruppen von Demonstranten allerdings seit der Früh Straßenschlachten mit der Polizei. Die Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer und Tränengas ein, die Demonstranten warfen Steine und Molotow-Cocktails.
Der Istanbuler Gouverneur Muammer Güler sprach von kleineren Gruppen von "Provokateuren", die mit der eigentlichen Gewerkschaftsveranstaltung nichts zu tun hätten. Die Polizei habe sich mit dem Einsatz von Gewalt sehr zurückgehalten, sagte der Gouverneur. 15 Menschen seien festgenommen worden. Insbesondere nach den Mai-Ausschreitungen vom vergangenen Jahr war die Istanbuler Polizei wegen ihres brutalen Vorgehens gegen unbewaffnete Demonstranten scharf kritisiert worden.