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In Ostanatolien geht nach Einschätzung eines Vereins von Nachkommen der 1915 unter dem Osmanischen Reich vertriebenen Armenier die Enteignung von armenischem Eigentum weiter. Die fortschreitende zweckfremde Nutzung armenischer Kirchen und Friedhöfe verstoße gegen den Friedensvertrag von Lausanne, in dem der verlassene armenische Besitz 1923 ausdrücklich unter Schutz gestellt wurde.
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Das sagte der Vorsitzende des Armenischen Solidaritätsvereins, Aziz Dagci, laut Kathpress gegenüber der Lokalzeitung Batman Cagdas.
Beschwerden beim Menschenrechtsausschuss des türkischen Parlaments über eine Enteignung in der Provinz Batman seien ohne konkretes Ergebnis geblieben, erläuterte Dagci. Sein Verein werde nun das türkische Grundbuchamt verklagen und falls nötig bis vor das Europäische Menschenrechtsgericht ziehen, um den Schutz und Erhalt der Kirchen durchzusetzen.
In Anatolien verfallen tausende armenische Kirchen, die seit der Vertreibung der Armenier zwischen 1915 und 1923 verwaist sind. Viele werden von der kurdischen Bevölkerung als Viehställe genutzt; andere werden zerstört, um das Baumaterial zur Errichtung der eigenen Häuser zu verwenden. Die Kirchen in der Region seien von Schatzsuchern geplündert und durch Viehhaltung verdreckt, klagte Dagci. Die Armenier selbst könnten sie aus Furcht vor Angriffen der örtlichen Dorfbewohner nicht einmal betreten.
Im aktuellen Fall beklagt sich der Solidaritätsverein, dass das Grundbuchamt in Batman armenische Kirchen als leerstehende Häuser und Friedhöfe als freies Gelände ausgewiesen hatte, um sie in Staatseigentum zu überführen. Batman (kurdischer Name: Elih) ist erst in den letzten Jahrzehnten durch die Ölindustrie zur Großstadt geworden. Die Provinz war bis 1915 multikulturell und multireligiös. Auch heute gibt es neben der kurdischen Mehrheitsbevölkerung einige yezidische (christliche) Dörfer.
Universität plant armenisches Institut
Ungeachtet der Brisanz der Angelegenheit plant die Universität von Edirne (Adrianopel) die Einrichtung eines armenischen Sprachinstituts. Dies wäre ein absolutes Novum in der Türkei. Der Lehrgang soll bereits im kommenden Jahr mit 20 Studenten starten. Die Einrichtung von Kursen zur Sprache und Literatur der Kurden und der christlichen Minderheiten ist in der Türkei ein heikles politisches Thema.
Als Folge der Bemühungen um den EU-Beitritt hat sich in den vergangenen Jahren das Bild aber nach Aussage einiger Rektoren verändert. So will der Rektor der Artuklu-Universität in Mardin, Serdar Bedii Omay, Kurse in Aramäisch, der Sprache Jesu, sowie in Hebräisch, Kurdisch, Persisch und Arabisch anbieten.
Omay kündigte am Montag an, er plane den Aufbau eines Instituts für Östliche Sprachen und Religionen. Die Universität, die erst im Vorjahr den Lehrbetrieb aufnahm, will demnächst bei der Hochschulverwaltung den formellen Antrag in Ankara stellen. Diese zeigte sich Presseberichten zufolge offen für die Einrichtung der Kurse.
Omay sagte, bei einem positiven Bescheid aus Ankara könne das neue Institut im kommenden Jahr die Arbeit aufnehmen. Mardin im heute vorwiegend kurdisch besiedelten Südostanatolien liegt nahe der Grenze zu Syrien; daher gibt es in der Gegend starke arabische Einflüsse. Bis 1924 war das berühmte Kloster Der-ul-Zafaran bei Mardin Sitz des syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien. (APA)